08 - Ehrenschuld
hatte, hatte er nie einen Schuß im Zorn abgefeuert, auch nicht während seiner Dienstzeit in Vietnam. Immer war ein anderer am Abzug gewesen. Er wußte einfach nicht, wie man kämpft.
»Warst du die ganze Nacht auf?« fragte lsabel, fertig angezogen, um zur Arbeit zu gehen. Es war Montag auf dieser Seite der internationalen Datumsgrenze, und es war Werktag. Ihr Blick fiel auf den Notizblock, der gewöhnlich neben dem Telefon lag, und sie sah, daß er mit Gekritzel und Zahlen bedeckt war. »Ist das wichtig?«
»Ich weiß es nicht, Izz.«
»Möchtest du frühstücken?«
»Kann nicht schaden«, sagte Pete Burroughs, der sich reckte, während er
in die Küche trat. »Ich bin wohl so um drei rum weggesackt.« »Ich muß in etwa einer Stunde an meinem Schreibtisch sein«, bemerkte
Mrs. Oreza, während sie den Kühlschrank aufmachte. Das Frühstück
bestand aus verschiedenen Getreideflocken und Magermilch, und dazu gab
es Toast von dem Brot, das nur aus Stroh bestand. Jetzt nur noch ein
bißchen Obst dabei, dachte Burroughs, und er hätte zu Hause in San Jose
sein können. Der Kaffee duftete schon. Er suchte sich eine Tasse und
schenkte sich ein.
»Hier versteht jemand wirklich einen guten Kaffee zu kochen.« »Das ist Manni«, sagte lsabel.
Oreza lächelte, zum ersten Mal seit Stunden. »Das habe ich bei meinem
ersten Chief gelernt. Die richtige Marke, die richtige Menge und dazu eine
Prise Salz.«
Wahrscheinlich bei Mondenschein und nach der Opferung einer Ziege,
dachte Burroughs. In dem Fall war die Ziege dann aber für eine edle Sache
gestorben. Er nahm einen tüchtigen Schluck und kam herüber, um einen
Blick auf Orezas Zählliste zu werfen.
»So viele?«
»Vorsichtig gerechnet. Von hier nach Japan sind es zwei Flugstunden.
Macht hin und zurück vier Stunden. Seien wir großzügig und nehmen wir
an, daß sie an beiden Enden neunzig Minuten am Boden sind. Ergibt einen
Zyklus von sieben Stunden. Dreieinhalb Flüge am Tag pro Maschine. Pro
Flug dreihundert, vielleicht dreihundertfünfzig Soldaten. Jede Maschine
fliegt also tausend Mann rein. Fünfzehn Maschinen, die einen ganzen Tag
eingesetzt sind, bringen eine ganze Division. Glauben Sie, daß die Japse
mehr als fünfzehn 747 haben?« fragte Portagee. »Wie gesagt, vorsichtig
gerechnet. Jetzt brauchen sie bloß noch ihr motorisiertes Gerät.« »Wie viele Schiffe brauchen sie dafür?«
Oreza runzelte die Stirn. »Bin mir nicht sicher. Im Golfkrieg ich war
drüben bei der Hafensicherung ... verdammt. Hängt von den Schiffen ab
und wie man sie belädt. Ich rechne wieder mal vorsichtig. Zwanzig große Handelsschiffe, nur um das Gerät rüberzuschaffen. Lastwagen, Jeeps, alles mögliche Zeug, an das man nie denken würde. Es ist, wie wenn eine ganze Stadt mit Sack und Pack umzieht. Sie müssen für Treibstoffnachschub sorgen. Diese Insel kann ihre Bewohner nicht ernähren; die Lebensmittel müssen auch per Schiff kommen, und die Bevölkerung hat sich gerade verdoppelt. Das Wasser muß möglicherweise rationiert werden.« Oreza machte sich eine entsprechende Notiz. »Jedenfalls richten sie sich hier auf Dauer ein. Das ist verdammt sicher«, sagte er, während er an den Tisch trat und seine spezielle Körnermischung sah, bei deren Anblick er Lust bekam auf drei Spiegeleier mit zerlassenem Speck, Schinken, Weißbrottoast mit Butter und all dem Cholesterin, das darin steckte. Daß man aber auch so
verdammt aufpassen mußte, wenn man über fünfzig war!
»Was wird eigentlich mit mir?« fragte der Ingenieur. »Sie gehen ja als
Einheimischer durch. Ich todsicher nicht.«
»Pete, Sie sind mein Chartergast, und ich bin der Kapitän, okay? Ich bin
für Ihre Sicherheit verantwortlich. Das ist das Gesetz der See, Sir.« »Wir sind nicht mehr auf See«, bemerkte Burroughs.
Oreza war über die Wahrheit dieser Bemerkung verärgert. »Meine
Tochter ist die Juristin. Ich versuche die Dinge möglichst einfach zu halten.
Essen Sie Ihr Frühstück. Ich brauche ein bißchen Schlaf, und Sie müssen
die Vormittagswache übernehmen.«
»Und was soll ich machen?« fragte Mrs. Oreza.
»Wenn du nicht zur Arbeit erscheinst ...«
»... wird jemand sich fragen, warum.«
»Versuch doch mal rauszukriegen, ob sie die Wahrheit gesagt haben von
wegen der Polizisten, die angeschossen wurden«, fuhr ihr Mann fort. »Ich
war die ganze Nacht auf, Izz. Ich habe nicht einen Schuß gehört.
Anscheinend ist jede Kreuzung besetzt, aber sie tun keinem was.« Er
schwieg. »Mir gefällt es auch nicht, Schatz.
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