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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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zugeschrieben.«
»Was wollen Sie damit sagen? Daß Sie unschuldig sind?«
»Man sagt mir ja nach, ich sei ein streunender Kater, könnte meinen Reißverschluß nicht zuhalten. Da ist was dran. Ich war bei Priestern, bei Ärzten, einmal in einer Klinik - das zu vertuschen war gar nicht so einfach. Schließlich habe ich mich an den Chef der Neurowissenschaft an der Harvard Medical School gewandt. Sie meinen, es ist ein Teil des Gehirns, der unsere Triebe reguliert, nur eine Theorie, aber eine begründete. Es geht einher mit Hyperaktivität. Ich war ein hyperaktives Kind. Bis heute schlafe ich keine Nacht mehr als sechs Stunden. Roger, das alles kann man mir nachsagen, aber ein Vergewaltiger bin ich nicht.«
So stand es also, dachte Durling. Er war selbst kein Jurist, aber er hatte eine hinreichende Zahl von Juristen ernannt, konsultiert und angehört, um den springenden Punkt von Kealtys Darlegungen zu erfassen. Er konnte zwei Dinge zu seiner Entlastung anführen: zum einen, daß die Beweise gegen ihn nicht so eindeutig waren, wie die Ermittler glaubten, und zum anderen, daß er im Grunde nicht für seine Taten verantwortlich sei. Der Präsident fragte sich, welches dieser Entlastungsmomente zutreffen mochte. Keines? Eins davon? Beide?
»Was werden Sie also tun?« fragte er den Vizepräsidenten, in einem ganz ähnlichen Ton, wie er ihn einige Stunden zuvor gegenüber dem Botschafter Japans gewählt hatte. Ob er wollte oder nicht, sein Mitgefühl mit dem Mann, der ihm gegenübersaß, wuchs. Was, wenn der Kerl nun wirklich die Wahrheit sagte? Wie konnte er das wissen - und das war es, was am Ende auch die Jury sagen würde, falls es soweit kommen würde; und falls eine Jury dieser Ansicht sein sollte, wie würde dann die Anhörung vor dem Justizausschuß verlaufen? Kealty hatte immer noch einen beträchtlichen Anhang auf dem Capitol Hill.
»Ich habe irgendwie das Gefühl, daß man in diesem Sommer wohl keine Durling/Kealty-Aufkleber mehr auf den Autos sehen wird. Täusche ich mich?« Ein schwaches Lächeln begleitete diese Frage.
»Nicht, wenn ich etwas dazu zu sagen habe«, reagierte der Präsident eher kühl. Nach Humor stand ihm jetzt nicht der Sinn.
»Ich habe nicht den Wunsch, Ihnen zu schaden, Roger. Vor zwei Tagen hatte ich diesen Wunsch. Hätten Sie mich gewarnt, hätte ich Ihnen diese Dinge früher darlegen können, hätte ich allen eine Menge Zeit und Ärger ersparen können. Einschließlich Barbara. Ich habe sie aus den Augen verloren. In Bürgerrechtsdingen ist sie sehr gut, ein guter Kopf und ein gutes Herz. Es war nur das eine Mal, wissen Sie. Und sie hat hinterher in meinem Büro weitergearbeitet«, erklärte Kealty.
»Wir haben das nachgeprüft, Ed. Sagen Sie mir, was Sie wollen.«
»Ich werde gehen. Ich werde zurücktreten. Ich lasse mich nicht vors Gericht zerren.«
»Das reicht nicht«, sagte Durling ausdruckslos.
»Oh, ich werde meine Schwächen bekennen. Ich werde mich bei Ihnen, ehrenwerter Staatsdiener, der Sie sind, für alle Schäden, die ich Ihrer Präsidentschaft zugefügt haben mag, entschuldigen. Meine Anwälte werden sich mit den Anwälten der Klägerinnen treffen, und wir werden eine Entschädigung aushandeln. Ich scheide aus dem öffentlichen Leben aus.«
»Und wenn auch das nicht reicht?«
»Es wird reichen«, sagte Kealty zuversichtlich. »Man kann mich nicht vor Gericht stellen, bevor nicht die verfassungsrechtlichen Dinge geklärt sind. Das dauert Monate, Roger. Wahrscheinlich bis in den Sommer hinein, vielleicht bis hin zum Nominierungsparteitag. Das können Sie sich nicht leisten. Das schlimmste Szenario für Sie dürfte sein, daß der Justizausschuß dem Repräsentantenhaus die Amtsenthebung empfiehlt, aber das Haus spricht sich nicht dafür aus oder nur mit hauchdünner Mehrheit, und im Senat kommt dann am Ende heraus, daß sie sich nicht über die Schuldfrage einigen können. Haben Sie eine Ahnung, wie viele Leute ich mir im Haus und im Senat durch Gefälligkeiten verpflichtet habe?« Kealty schüttelte den Kopf. »Es lohnt nicht das politische Risiko für Sie, und es hält Sie und den Kongreß vom Regieren ab. Sie brauchen doch die Zeit, die Ihnen zur Verfügung steht, ja, sogar mehr als das.« Kealty stand auf und ging auf die Tür zu, die sich zur Rechten des Präsidenten befand und die sich so vollendet in die gerundeten, eierschalenweißen Wände mit Goldrand einfügte. Er sprach seine letzten Worte, ohne sich umzudrehen. »Die Entscheidung liegt jetzt jedenfalls bei

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