08 - Ehrenschuld
Mit seiner hohen Leistung war es in der Lage, im Raum Tausende von Kilometern und selbst in der Atmosphäre Hunderte von Kilometern abzutasten. Seine elektronischen Fühler schweiften unablässig umher und suchten nach Eindringlingen, konnten bisher aber nur Verkehrsflugzeuge entdecken, aber selbst die wurden genau beobachtet. Ein F-15E Strike Eagle, bewaffnet mit Luftabwehrraketen, stand bereit und wäre innerhalb von zehn Minuten in der Luft, wenn von einem von ihnen auch nur das geringste Anzeichen von Gefahr ausginge.
In diesem Trott ging es den ganzen Tag weiter. Das Grau des Himmels lockerte sich für wenige Stunden so weit auf, daß man vermuten konnte, die Sonne sei irgendwann tatsächlich aufgegangen, aber als die Piloten geweckt wurden, sahen sie draußen nichts als Schwärze, so als hätte man ihnen die Fensterscheiben bemalt. Sogar die Beleuchtung der Rollbahn war aus, damit sie unwillkommenen Besuchern in der Finsternis keinen Anhaltspunkt zum Aufspüren des Stützpunktes bot.
»Noch Fragen?«
Der Einsatz war rasch, aber gründlich geplant worden, und die vier führenden Piloten hatten sich daran beteiligt, den Plan in der Nacht zuvor getestet, und obwohl es riskant war - nun, was zum Teufel war das nicht.
»Und Ihr Eagle-Heinis meint, Ihr kriegt das hin?« fragte der ranghöchste der Rapier-Piloten. Er war Lieutenant Colonel, aber das bewahrte ihn nicht vor der Retourkutsche.
»Machen Sie sich keine Sorgen, Sir«, sagte ein Major. »An dem schönen Arsch bleiben wir dran.« Sie warf ihm eine Kußhand zu.
Der Colonel war eigentlich Testpilot und Ingenieur. Man hatte ihn beim 57. Weapons Wing von der Nellis Air Force Base abgezogen, wo er mit der Entwicklung der F-22 beschäftigt war. Er kannte die »alte« Air Force nur aus Filmen und Geschichten, die man ihm am Anfang seiner Laufbahn erzählt hatte, aber er faßte die Erwiderung so auf, wie sie gemeint war. Die Strike Eagles waren zwar nicht getarnt, aber sie waren ganz schön gefährlich. Sie würden gleich in einen Kampfeinsatz gehen, und da zählte der Rang nicht soviel wie Kompetenz und Selbstvertrauen.
»Gut, Leute« - früher hätte er wohl Männer gesagt -, »unsere Zeit ist knapp. Dann mal los.«
Die Besatzungen der Tankflugzeuge amüsierten sich über die Burschenherrlichkeit der Jagdflieger und darüber, daß die Frauen in der Air Force ihnen darin in nichts nachstanden. Der Major war eine echte Augenweide, dachte einer von ihnen. Vielleicht würde sie ja später mal als Pilotin zur United kommen, meinte er zu einem Captain.
»Könnte mir was Schlimmeres vorstellen«, bemerkte der erste Offizier von der Southwest Airlines. Zwanzig Minuten später hoben die Tankflugzeuge ab, gefolgt von einem der E-3B.
Wie immer starteten die Jäger zuletzt. Alle Besatzungen trugen die der Jahreszeit entsprechenden warmen Fliegermonturen und mokierten sich über die zusätzliche Sicherheitsbekleidung, die um diese Jahreszeit über dem Nordpazifik völlig nutzlos sein würde, aber so waren nun einmal die Vorschriften. Die unbequemen, einengenden Rettungsanzüge wurden zum Schluß angezogen. Einer nach dem anderen gingen die Rapier-Piloten zu ihren Vögeln, die Eagle-Besatzungen immer paarweise. Der Colonel, der den Einsatz anführte, riß sich demonstrativ das Klettband mit dem RAPIER-Emblem vom Anzug und ersetzte es durch eines, das die Lockheed-Mitarbeiter entworfen hatten: die Silhouette einer original P-38 Lightning, darüber das elegante Profil des neuesten Jägermodells der Firma, verziert mit einem weiß-gelben Blitz. Auch hier gab es eine Tradition, dachte der Colonel, obwohl er erst geboren wurde, als die letzten Twinboom-38 schon längst zu Altmetall verarbeitet worden waren. Er erinnerte sich an die Modelle der ersten amerikanischen Langstreckenbomber, die nur einmal zu ihrem eigentlich vorgesehenen Zweck eingesetzt wurden. Ein Pilot namens Tex Lamphier hatte sich dadurch ein Stück Unsterblichkeit gesichert. Der heutige Tag würde sich nicht wesentlich von dem damals über den Nördlichen Salomonen unterscheiden.
Die Jagdflugzeuge mußten ins Freie gezogen werden, und schon bevor sie die Maschinen anwarfen, konnte jeder der Piloten spüren, wie der Wind an seinem Flugzeug zerrte. Das war der Moment, wo die Finger nervös über die Instrumente glitten und die Piloten auf ihren Sitzen hin und herrutschten, um sich in die richtige Haltung zu bringen. Dann warfen die Jagdflieger einer nach dem anderen die Maschinen an und rollten zur Startbahn
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