08 - Ehrenschuld
wissen, um sich aufzuraffen, zusätzliche Entschlossenheit zu entwickeln, um ihre Einstellung zu verändern, die in Friedenszeiten anders sein mußte als in einem Krieg - aber wenn es dann soweit war, mußte man die Sache auch anpacken. Aber es war nicht soweit.
Bei ihm stauten sich dadurch wie bei jedem Mann und jeder Frau der Streitkräfte nagende Frustration, Ungeduld und steigender Zorn auf. Am Tag zuvor war einer seiner Tomcat-Piloten mit einem Abstand von etwa drei Metern auf jeder Seite zwischen zwei indischen Harriern durchgebrettert, nur um ihnen zu zeigen, wer fliegen konnte und wer nicht. Aber auch wenn die Zuschauer sich dabei vor Angst vermutlich in die Hosen gemacht hatten, hatte der Pilot sich nicht gerade professionell verhalten ... und doch konnte Mike Dubro sich gut vorstellen, daß er als frischgebackener Lieutenant am Anfang seiner Karriere womöglich dasselbe getan hätte. Das hatte es ihm nicht gerade leichter gemacht, den Piloten zurechtzuweisen, aber er hatte es tun müssen. Er wußte auch, daß die betreffende Crew nachher in ihr Quartier ging und dabei vor sich hinbrummelte, daß der alte Knacker da oben auf der Brücke sowieso nicht wußte, was es hieß, ein Jagdflugzeug zu fliegen, weil man die SpadMaschinen, mit denen er aufgewachsen war, wahrscheinlich noch ankurbeln mußte, damit sie vom Schiff abhoben ...
»Wenn die das Feuer eröffnen, werden wir was abkriegen«, bemerkte Commander Harrison. Er hatte gerade zuvor gemeldet, daß ihre Morgenpatrouille nach Plan aufgetaucht war.
»Wenn Sie uns eine Exocet reinjagen, geben wir einfach das Signal >Putzkolonne, an die Besen<, Ed.« Das war ein schwacher Anflug von Humor, aber Dubro hatte dafür im Moment keinen Sinn.
»Aber nicht, wenn sie Glück haben und einen der JP-Tanks erwischen.« Nun zeigte sein Einsatzoffizier Pessimismus. Das ist nicht gut, dachte der Kommandant.
»Zeigen Sie ihnen, daß wir auf der Hut sind«, befahl Dubro. Wenige Augenblicke später schalteten die Suchschiffe die
Feuerleitradare ein und erfaßten die indischen Eindringlinge. Durch das Fernglas konnte Dubro erkennen, daß auf dem nächsten Aegis-Zerstörer weiße Raketen auf den Abschuß Vorrichtungen standen, aber dann drehten sie ab, und auch die Zielerfassungsradare wurden abgeschaltet. Die Botschaft war deutlich: Bleibt bloß weg. Er hätte jetzt eine weitere, zornige Nachricht nach Pearl Harbor schicken können, aber David Seaton hatte schon genug am Hals, und die wichtigen Entscheidungen wurden sowieso in Washington von Leuten getroffen, die nichts von der Sache verstanden.
»Ist es das wert?«
»Ja, Sir«, erwiderte Ryan, der auf dem Weg zum Präsidenten seine
eigenen Schlüsse gezogen hatte. Es hieß, zwei Freunde einem zusätzlichen
Risiko auszusetzen, aber das war ihr Job, und Entscheidungen zu treffen
war seiner - wenigstens zum Teil. So etwas sagte sich leicht, und doch
wußte er, daß er deshalb schlecht schlafen würde - wenn überhaupt. »Die
Gründe liegen auf der Hand.«
»Und wenn es schiefgeht?«
»Dann sind zwei unserer Leute in ernster Gefahr, aber ...« »Dafür sind sie ja da?« fragte Durling nicht gerade freundlich. »Ich bin mit beiden befreundet, Mr. President. Wenn Sie glauben, daß
mir das gefällt ...«
»Beruhigen Sie sich«, sagte der Präsident. »Viele unserer Leute sind in
Gefahr, und wissen Sie was? Sie nicht zu kennen macht die Sache nicht
leichter, sondern schwerer. Diese unangenehme Erfahrung habe ich machen
müssen.« Roger Durling sah auf seinen Tisch hinab, auf all die
Verwaltungsberichte und anderen Dinge, die nicht direkt etwas mit der
Krise im Pazifik zu tun hatten, aber dennoch bearbeitet werden mußten. Die
Vereinigten Staaten von Amerika zu regieren war eine Menge Arbeit, und
er durfte nichts davon beiseite schieben, wie wichtig ein Teilbereich
plötzlich auch geworden sein mochte. Ob Ryan das verstand?
Jack sah die Papiere auch dort liegen. Er mußte nicht genau wissen,
worum es dabei ging. Keiner davon hatte ein Deckblatt, das ihn als geheime
Information auswies. Es war der ganze normale alltägliche Kram, mit dem
dieser Mann sich herumschlagen mußte. Der Chef mußte seine Gedanken
auf so viele Aufgaben verteilen. Es schien nicht fair, vor allem für
jemanden, der sich um die Aufgabe nicht gerade gerissen hatte. Aber da
hatte das Schicksal mitgespielt, und Durling hatte freiwillig das Amt des Vizepräsidenten übernommen, da der Dienst an anderen in seinem Charakter genauso verankert war wie in Ryans. Sie
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