08 - Ehrenschuld
hinüber. Die Beleuchtung wurde eingeschaltet, blaue, parallele Streifen, die sich in die Dunkelheit hinausstreckten, und die Flugzeuge hoben ab, eines nach dem anderen, im Minutentakt. Ein Doppelstart wäre bei den herrschenden Wetterverhältnissen zu gefährlich gewesen, und in dieser Nacht konnten sie sich keine Fehler erlauben. Drei Minuten später hatten sich über den Wolken zwei Viererformationen gebildet; hier war der Himmel klar und voller Sterne. Zu ihrer Rechten zeigten sich die vielfarbigen Auren des Polarlichts, Vorhänge aus wechselnden Farben, Bewegungen der durch den stellarer Lichtdruck ionisierten Partikel der Stratosphäre. Der Anblick war für die Lightning-Piloten gleichermaßen schön wie symbolhaft.
Die erste Stunde war wie ein Routineflug für die beiden Quartette auf dem Weg nach Südwesten. Die Positionslichter blinkten, um die unmittelbare Nachbarschaft vor einem Zusammenstoß zu warnen. Bis zum Zusammentreffen mit den Tankflugzeugen wurden Systemchecks durchgeführt, Instrumentenanzeigen überwacht und Mägen beruhigt.
Die Besatzungen der Tankflugzeuge bestanden aus Reservisten, die im Zivilleben Verkehrsflugzeuge flogen; sie hatten für das Manöver sorgfältig ruhige Wetterzonen ausgewählt, und die Jagdflieger, die sich grundsätzlich für die Größten hielten, waren ihnen dafür dankbar. Es dauerte mehr als vierzig Minuten, bis alle aufgetankt waren. Die Tankflugzeuge setzten ihren Weg fort, wahrscheinlich, damit die Besatzung die versäumten Exemplare des Wall Street Journal nachlesen konnte, wie die Jagdflieger annahmen. Sie selbst flogen weiter in südwestlicher Richtung.
Die Dinge veränderten sich. Zeit, an die Arbeit zu gehen. An ihre Art von Arbeit.
Sandy Richter leitete den Einsatz natürlich, denn es war von Anfang an seine Idee gewesen; schon vor Monaten, auf der Nellis Air Force Base. Dort hatte es funktioniert, und jetzt mußte er nur noch herausfinden, ob es auch hier funktionieren würde. Vermutlich riskierte er damit sein Leben.
Richter war seit seinem siebzehnten Lebensjahr in diesem Geschäft damals hatte er wegen seines Alters gelogen, und da er groß und stark war, kam er damit durch. Irgendwann hatte er das in seiner Akte korrigieren lassen, aber er war immer noch bei der Armee, mittlerweile in seinem neunundzwanzigsten Dienstjahr und kurz davor, sich in ein ruhigeres Leben zurückzuziehen. In all dieser Zeit hatte Richter immer nur Kampfhubschrauber geflogen. Wenn ein Hubschrauber nicht bewaffnet war, hatte Richter kein Interesse daran. Er hatte sich über die AH-1 Huey Cobra bis zur ÄH-64 Apache vorgearbeitet, mit der er an seinem zweiten, kürzeren Krieg über der arabischen Halbinsel teilgenommen hatte. Das hier war wohl der letzte Vogel, mit dem er unterwegs sein würde. Er startete die Motoren der Comanche und damit seine 6751. Flugstunde, wenn man dem Logbuch glauben durfte.
Die beiden Turbinen sprangen ganz normal an, und der Rotor setzte sich in Bewegung. Die Ersatzbodencrew aus Rangern veranstaltete eine große Show mit ihrem einzigen Feuerlöscher. Das Ding war gerade mal groß genug, um damit eine Zigarette zu löschen, dachte Richter mürrisch, als er abhob. Die dünne Bergluft beeinträchtigte die Steigfähigkeit der Maschinen etwas, aber er würde ja bald wieder unten am Meer sein. Der Pilot schüttelte den Kopf, um wie immer den Sitz seines Helmes zu prüfen, und machte sich dann auf den Weg nach Osten, über die bewaldeten Hänge des Shiraishi-san hinweg.
»Da sind sie«, sagte der Anführer der Staffel, ein F-22-Pilot. Das erste Signal piepte in seinem Kopfhörer, gefolgt von der Information auf seinem Radarwarnsystem: LUFTABWEHRRADAR IN FLUGGERÄT, TYP J, PEILUNG 213. Als nächstes wurden Daten von der E-3B übermittelt, die den Sender lokalisiert hatte. Die Sentry benutzte heute abend das Radar nicht. Schließlich hatten die Japaner den Amerikanern eine Lehre erteilt, und die mußten sie erst einmal verdauen ... ENTFERNUNG ZUM ZIEL 1 729 KILOMETER. Noch außerhalb vom Horizont des japanischen Flugzeuges gab er sein erstes verbales Kommando bei diesem Einsatz.
»Lightning eins an Staffel. Formation, jetzt!«
Sofort teilten sich die zwei Quartette in Pärchen auf; der Abstand zwischen ihnen betrug knapp zwei Kilometer. Die F-22 übernahm jeweils die Führung und die nachfolgende F-15E flog gefährlich dicht auf, um eine Radarüberschneidung zu erzeugen. Der kommandierende Colonel flog so ruhig und gleichmäßig, wie es ihm Praxis und
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