08 - Im Angesicht des Feindes
Helen.
»Um die Story an die Medien zu verkaufen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie es sich in der Presse ausnehmen würde, wenn bekannt werden würde, daß ausgerechnet ich der Vater von Eve Bowens einzigem Kind bin. Besonders wenn man bedenkt, wie sie ... « Er schien nach einem beschönigenden Wort zu suchen, das ihm nicht einfallen wollte.
Simon vollendete den Gedanken, ohne es freundlicher auszudrücken, »... wie sie die Tatsache, daß sie ein uneheliches Kind hat, in der Vergangenheit für ihre eigenen Ziele ausgeschlachtet hat?«
»Sie hat es ja praktisch zu ihrem Markenzeichen gemacht«, gab Luxford zu. »Sie können sich wohl vorstellen, wie die Presse mit ihr umspringen würde, wenn bekannt werden sollte, daß Eve Bowen ihre große Sünde aus Leidenschaft mit jemandem wie mir beging.«
O ja, das konnte Simon sich gut vorstellen. Die Abgeordnete von Marylebone pflegte seit langem das Image der Frau, die einen Fehltritt gemacht und Wiedergutmachung geleistet hatte, die einen Schwangerschaftsabbruch mit der Begründung verworfen hatte, eine solche Lösung spiegele nur den Verfall der Werte in dieser Gesellschaft, die gut und recht an ihrem Kind gehandelt hatte. Daß sie die uneheliche Geburt ihrer Tochter nie verheimlicht hatte, hatte ebenso wie die Tatsache, daß sie noblerweise den Namen des Vaters nie preisgegeben hatte, zumindest teilweise dazu beigetragen, daß sie überhaupt ins Parlament gewählt worden war. Sie machte sich öffentlich für moralische Werte, Religion, Familiensolidarität und Treue zu König und Vaterland stark. Sie stand für alles, was die Source bei den konservativen Politikern verhöhnte.
»Ihre Geschichte hat ihr gute Dienste geleistet«, stellte Simon fest. »Eine Politikerin, die sich öffentlich zu ihren Fehlern bekennt! Da kann der Wähler schwer widerstehen. Ganz zu schweigen von einem Premierminister, dem daran liegt, seine Regierung zu stärken, indem er Frauen in wichtige Ämter beruft. Weiß er übrigens, daß das Kind entführt worden ist?«
»Niemand in der Regierung weiß etwas davon.«
»Und Sie sind sicher, daß es entführt wurde?« Simon deutete auf den Brief, den er auf den Knien liegen hatte.
»Der Text ist in einer Art Blockschrift geschrieben. Das könnte leicht ein Kind getan haben. Besteht eine Möglichkeit, daß Charlotte selbst hinter dieser Sache steckt? Weiß sie von Ihnen? Könnte das ein Versuch von ihr sein, ihre Mutter unter Druck zu setzen?«
»Nie im Leben. Mein Gott, sie ist knapp zehn Jahre alt. Eve hat ihr nie etwas gesagt.«
»Können Sie da ganz sicher sein?«
»Natürlich kann ich nicht sicher sein. Ich kann mich nur auf das verlassen, was Eve mir gesagt hat.«
»Und Sie selbst haben auch mit niemandem gesprochen? Sind Sie verheiratet? Haben Sie es Ihrer Frau gesagt?«
»Ich habe es keinem Menschen erzählt«, erklärte er entschieden, ohne auf die anderen beiden Fragen einzugehen.
»Und Eve sagt, daß auch sie mit niemandem darüber gesprochen hat, aber sie muß bei irgendeiner Gelegenheit etwas verraten haben - durch eine unbedachte Bemerkung oder eine Anspielung. Sie muß zu irgend jemandem was gesagt haben, der etwas gegen sie hat.«
»Gibt es niemanden, der etwas gegen Sie hat?« Helens dunkle Augen waren unschuldig, ihr Gesicht höflich interessiert, als hätte sie keine Ahnung, daß die ganze Philosophie der Source darin bestand, jedes schmutzige Geheimnis auszugraben und als erste an die Öffentlichkeit zu bringen.
»Das halbe Land wahrscheinlich«, bekannte Luxford. »Aber meine berufliche Laufbahn wird es kaum ruinieren, wenn herauskommt, daß ich der Vater von Eve Bowens unehelicher Tochter bin. Ich werde in Anbetracht meiner politischen Ansichten eine Weile zum allgemeinen Gespött werden, aber mehr nicht. Eve, nicht ich, ist in der angreifbaren Position.« »Warum hat man den Brief dann an Sie geschickt?« fragte St. James.
»Wir haben beide einen bekommen. Meiner kam mit der Post. Der ihre wartete zu Hause. Der Haushälterin zufolge war er irgendwann im Lauf des Tages durch einen Boten gebracht worden.«
St. James musterte noch einmal den Umschlag des Schreibens. Er war am Tag zuvor abgestempelt worden.
»Wann ist Charlotte verschwunden?« fragte er.
»Heute nachmittag. Irgendwo zwischen der Blandford Street und der Devonshire Place Mews.«
»Liegt eine Lösegeldforderung vor?«
»Nein. Nur die Forderung an mich, die Vaterschaft öffentlich anzuerkennen.«
»Wozu Sie nicht bereit sind.«
»O doch, ich
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