08 - Im Angesicht des Feindes
nicht verlockend, Fiona noch weniger, aber Luxford wußte, es konnte für beide nur gesund sein. Hatte Baverstock nicht auch ihm geholfen? Ihn zum Mann gemacht? Ihm Richtung und Ziel gegeben? Hatte nicht der Besuch einer guten Privatschule ihn dahin gebracht, wo er heute stand?
Er verdrängte den Gedanken daran, wo er heute stand, heute abend, in dieser Minute. Er mußte die Erinnerung an den Brief und alles, was sich daraus ergeben hatte, auslöschen. Nur dann konnte er die Fassade aufrechterhalten.
Dennoch leckten Gedanken wie kleine Wellen an den Barrieren, die er gegen sie errichtet hatte, und Mittelpunkt dieser Gedanken war sein Gespräch mit Eve.
Seit jenem Tag vor vielen Jahren, als sie ihm eröffnet hatte, daß sie schwanger war, hatte er nicht mehr mit ihr gesprochen. Das war genau fünf Monate nach dem Parteitag der Tories gewesen, bei dem sie sich kennengelernt hatten. Das heißt, eigentlich hatte er sie schon von der Universität her gekannt, flüchtig, als Mitarbeiterin der Zeitung, und hatte sie attraktiv gefunden, wenn ihn auch ihre politischen Ansichten abgestoßen hatten. Als er sie in Blackpool unter den grau gekleideten, grauhaarigen und im allgemeinen graugesichtigen Drahtziehern der Konservativen Partei gesehen hatte, hatte er sie immer noch attraktiv gefunden und ihre politischen Ansichten immer noch abstoßend. Doch da waren sie Journalistenkollegen gewesen - er seit zwei Jahren Leiter des Globe, sie politische Korrespondentin beim Daily Telegraph - und hatten im geselligen Beisammensein mit anderen Kollegen Gelegenheit zu hitziger intellektueller Auseinandersetzung über den bedingungslosen Machtwillen der Konservativen gefunden. Die intellektuelle Auseinandersetzung hatte zu hitziger körperlicher Annäherung geführt. Nicht nur einmal, das hätte man vielleicht entschuldigen können, hätte es einem Übermaß an Alkohol und sexueller Begierde zuschreiben und vergessen können. Doch die Geschichte hatte sich über die gesamte Dauer des Parteitags hingezogen. Das Ergebnis war Charlotte.
Was hatte er sich damals nur dabei gedacht? fragte sich Luxford. Er hatte Fiona zur Zeit des Parteitags bereits seit einem Jahr gekannt, hatte gewußt, daß er sie heiraten wollte, hatte sich bemüht, ihr Vertrauen und ihr Herz zu gewinnen, ganz zu schweigen von ihrem verlockenden Körper, und bei der ersten Gelegenheit hatte er alles verpfuscht. Aber es war noch einmal gutgegangen. Eve hatte nämlich überhaupt nichts von einer Heirat wissen wollen, als er ihr, nachdem er von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, widerstrebend einen Antrag gemacht hatte. Sie war entschlossen gewesen, in der Politik große Karriere zu machen. Eine Heirat mit Dennis Luxford paßte nicht in ihre Pläne. »Mein Gott«, hatte sie gesagt, »glaubst du im Ernst, ich würde mich mit einer hämischen Dreckschleuder wie dir zusammentun, nur damit auf der Geburtsurkunde der Name eines Mannes steht? Du bist anscheinend noch verrückter, als deine politischen Ansichten vermuten lassen.« In diesem Sinn hatten sie sich getrennt. Und in den folgenden Jahren, während sie in der politischen Hierarchie aufgestiegen war, hatte er sich manchmal gesagt, daß Eve das geschafft hatte, was er nicht fertiggebracht hatte: Sie hatte mit einem sauberen Schnitt diesen Teil ihrer Vergangenheit aus ihrem Gedächtnis getilgt.
Daß das in Wirklichkeit nicht der Fall gewesen war, entdeckte er, als er sie anrief. Charlottes Existenz hatte es gar nicht erlaubt.
»Was willst du?« hatte sie gefragt, als es ihm endlich gelungen war, sie im Unterhaus im Büro des parlamentarischen Geschäftsführers aufzustöbern. »Warum rufst du mich an?«
Ihre Stimme war leise und angespannt gewesen. Im Hintergrund waren andere Stimmen zu hören.
»Ich muß dich sprechen«, sagte er.
»Aber ich dich nicht.«
»Es geht um Charlotte.«
Er hörte, wie sie kurz nach Luft schnappte. Aber ihr Ton änderte sich nicht. »Du hast mit ihr nichts zu tun, und das weißt du auch.« »Evelyn«, sagte er beschwörend, »ich weiß, daß der Anruf dir wie ein Überfall vorkommt.«
»Und zeitlich so günstig!«
»Es tut mir leid. Ich höre, daß du nicht allein bist. Gibt es nicht ein privates Telefon in der Nähe?«
»Ich habe überhaupt nicht die Absicht -«
»Ich habe einen Brief bekommen, in dem man mich anklagt.«
»Das wundert mich nicht. Man sollte meinen, daß ein Brief, in dem du angeklagt wirst, für dich etwas ganz Alltägliches ist.«
»Jemand weiß
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