08 - Im Angesicht des Feindes
zustößt.«
»Aber das ist doch anscheinend keine typische Entführung, oder? Keine Lösegeldforderung, nur die Forderung nach öffentlicher Anerkennung. Und keine Todesdrohung. Wenn du ihnen nicht hilfst, werden sie nur zu jemand anders gehen, das weißt du doch.«
»Oder sie gehen zur Polizei, was sie im übrigen gleich hätten tun sollen.«
»Aber du hast doch so etwas schon gemacht. Und Helen auch. In letzter Zeit natürlich nicht mehr. Aber früher. Und du warst gut.«
St. James antwortete nicht. Er wußte, was er tun sollte - das, was er bereits getan hatte: Luxford sagen, daß er die Finger von dieser Sache lassen würde. Aber Deborah sah ihn an, und ihr Gesicht spiegelte das rückhaltlose Vertrauen, das sie stets in ihn gehabt hatte. Das Vertrauen darauf, daß er das Richtige tun, eine weise Entscheidung treffen würde.
»Du kannst ja eine zeitliche Grenze setzen«, sagte sie vernünftig. »Wie war's, wenn du sagst, du gibst der Sache ... äh ... einen Tag? Oder zwei? Um vielleicht eine Spur aufzunehmen. Um mit Leuten zu sprechen, die das kleine Mädchen kennen. Um ... ach, ich weiß auch nicht. Um etwas zu tun. Dann weißt du wenigstens, daß die Ermittlungen ordentlich geführt werden. Darum geht es dir doch, nicht wahr? Du möchtest sicher sein, daß alles richtig gehandhabt wird, oder?«
St. James berührte ihre Wange. Ihre Haut war heiß. Ihre Augen wirkten zu groß. Sie schien trotz ihrer fünfundzwanzig Jahre selbst noch ein halbes Kind. Er hätte sie Luxfords Geschichte nicht hören lassen dürfen, dachte er wieder. Er hätte sie zurück zu ihren Fotografien schicken sollen. Er hätte darauf bestehen sollen. Er hätte ... St. James schüttelte die Gedanken ab. Deborah hatte recht. Immer wollte er sie schützen. Und dieser Drang, sie zu beschützen, war Gift für ihre Ehe, der größte Nachteil daran, daß er elf Jahre älter war als sie und sie seit ihrer Geburt kannte.
»Sie brauchen dich«, sagte sie. »Ich finde, du solltest ihnen helfen. Sprich wenigstens mit der Mutter. Hör dir an, was sie zu sagen hat. Das könntest du heute abend noch tun. Du kannst mit Helen zu ihr fahren. Jetzt gleich.« Sie ergriff seine Hand, die immer noch auf ihrer Wange lag.
»Ich kann keine zwei Tage versprechen«, sagte er.
»Das macht nichts, Hauptsache, du kümmerst dich erst mal darum. Also - tust du es? Ich weiß, es wird dir nicht leid tun.«
Es tut mir jetzt schon leid, dachte St. James. Aber er nickte.
Dennis Luxford hatte genug Zeit, sich zu sammeln, während er nach Hause fuhr. Er wohnte in Highgate, eine beträchtliche Strecke vom Haus der St. James' in Chelsea entfernt, und während er seinen Porsche durch den Verkehr lenkte, ordnete er seine Gedanken und baute eine Fassade auf, von der er hoffte, seine Frau würde sie nicht durchdringen können.
Er hatte sie nach dem Gespräch mit Eve angerufen. Er würde nun leider doch später als erwartet heimkommen, erklärte er.
»Sei mir nicht böse, Liebling. Hier hat sich einiges getan. In South Lambeth wartet einer meiner Fotografen darauf, daß Larnseys Strichjunge sich aus dem Haus seiner Eltern herauswagt, ein Reporter steht auch schon bereit, um die Aussage des Jungen aufzunehmen, wenn er eine machen sollte, und wir warten mit dem Druck so lange wie möglich, um es noch in der Ausgabe von morgen bringen zu können. Ich muß hier verfügbar sein. Vermassele ich dir deine Pläne für heute abend?«
Fiona sagte nein. Sie hatte Leo gerade vorgelesen, als das Telefon läutete, oder genauer gesagt, sie hatte mit Leo gelesen, weil niemand Leo vorlas, wenn Leo selbst wollte. Er hatte Giotto gewählt, gestand Fiona mit einem Seufzer. Schon wieder. Ich wollte, er würde mal anfangen, sich für eine andere Epoche zu interessieren. Lektüre über religiöse Gemälde schläfert mich ein.
Aber sie ist gut für deine Seele, hatte Luxford erwidert. Er hatte sich bemüht, freundlich-ironisch zu klingen, obwohl er dabei dachte: Sollte er sich in seinem Alter nicht für Dinosaurier interessieren? Für das Weltall? Großwildjäger? Schlangen und Frösche?
Wie, zum Teufel, kam ein Achtjähriger dazu, über einen Maler des vierzehnten Jahrhunderts nachzulesen? Und warum ermutigt ihn seine Mutter noch dazu?
Die beiden standen einander zu nahe, dachte Luxford nicht zum erstenmal. Leo und seine Mutter waren seelisch zu stark miteinander verbunden. Es würde dem Jungen ungeheuer guttun, wenn er im Herbst nach Baverstock ins Internat kam.
Leo fand die Aussicht gar
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