08 - Im Angesicht des Feindes
kritische Musterung würde sie sich gewöhnen müssen, wenn sie hier in Wiltshire die Ermittlungen leiten wollte. Warum dann nicht gleich im King Alfred Arms die erste Probe bestehen.
Sie war schon auf dem Weg über die Straße, als sie automatisch nach hinten zu ihrer Umhängetasche griff, um sich zur moralischen Unterstützung eine Zigarette herauszuholen. Sie fand nichts. Erschrocken blieb sie stehen. Ihre Tasche ...
Sie hatte sie im Wagen gelassen, fiel ihr ein, und sie klopfte sich im Geist spöttisch auf die Schulter, als sie sich rückblickend erinnerte, daß sie vor lauter ungeduldigem Eifer, ihren ersten großen Auftritt als Ermittlungsleiterin zu machen und ihren neuen Mitarbeitern zu zeigen, wer hier das Sagen hatte, die Autotür offengelassen, ihre Handtasche im Wagen liegen- und den Zündschlüssel steckengelassen hatte.
»Wie kann man nur so blöd sein«, schimpfte sie vor sich hin.
Hastig drehte sie sich um und lief den Weg zurück, den sie gekommen war. Sie rannte um das Polizeigebäude herum, wich einem Müllcontainer aus und lief auf den kleinen Parkplatz. Und das war der Moment, als sie Gott und den Herstellern für die Schleichersohlen unter ihren roten Basketballstiefeln dankte.
An ihrem Mini stand nämlich, halb ins Wageninnere gebeugt, ein dunkel gekleideter Mann, der, soweit sie erkennen konnte, gerade dabei war, ihre Handtasche zu durchwühlen.
17
Barbara stürzte sich auf ihn. Er war groß und kräftig, aber ihr halfen ihr Zorn und das Überraschungsmoment. Mit einem Kampfschrei, der jedes Karateexperten würdig gewesen wäre, packte sie den Taschendieb um die Taille, riß ihn aus ihrem Wagen und rammte ihn gegen die Karosserie.
»Polizei, Meister!« schnauzte sie ihn an. »Und wagen Sie ja nicht, auch nur mit der Wimper zu zucken.«
Er war aus dem Gleichgewicht. Deshalb tat er mehr, als nur mit der Wimper zu zucken. Er stürzte bäuchlings zu Boden. Einen Moment krümmte er sich, als wäre er auf einem Stein gelandet, und schien in seine rechte Hosentasche greifen zu wollen. Barbara trat ihm auf die Hand.
»Keine Bewegung, hab' ich gesagt!«
»Mein Ausweis«, stammelte er. »In der Tasche.«
»Na klar«, sagte sie sarkastisch. »Als was weist der Sie denn aus? Taschendieb? Handtaschenräuber? Autodieb?«
»Polizist«, antwortete er.
»Polizist?«
»Ja. Kann ich jetzt aufstehen? Oder mich wenigstens umdrehen?«
Heiliger Strohsack, dachte sie. Das ist ja ein schöner Anfang. Dann fragte sie mißtrauisch: »Wie kommen Sie dazu, meine Sachen zu durchwühlen?«
»Ich wollte nur sehen, wem der Wagen gehört. Kann ich jetzt aufstehen?«
»Bleiben Sie, wo Sie sind. Drehen Sie sich um, aber bleiben Sie unten.« »In Ordnung.« Er rührte sich nicht.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?«
»Sie stehen noch auf meiner Hand.«
Hastig zog sie ihren Basketballstiefel von seiner Handfläche.
»Keine plötzlichen Bewegungen«, sagte sie.
»Okay.« Stöhnend wälzte er sich auf die Seite und dann auf den Rücken. Vom Boden aus sah er sie an.
»Ich bin Detective Constable Robin Payne«, sagte er. »Und wenn ich nicht irre, sind Sie von Scotland Yard.«
Er sah aus wie ein junger Errol Flynn, nur das Oberlippenbärtchen war etwas üppiger. Und er war nicht in Schwarz, wie Barbara zuerst geglaubt hatte. Vielmehr hatte er eine anthrazitgraue Hose und einen dunkelblauen Pulli mit V-Ausschnitt an, unter dem ein weißes Hemd hervorsah. Der Kragen des Hemdes war genau wie der Pulli und die Hose voller Schmutzflecken von dem Sturz. Und seine linke Wange blutete, was möglicherweise erklärte, warum er sich gekrümmt hatte, als er aufgeschlagen war.
»Das ist nur ein Kratzer«, sagte er, als Barbara bedauernd das Gesicht verzog. »Ich hätte genauso gehandelt.«
Sie waren in der Dienststelle. Constable Payne hatte die Hintertür aufgesperrt und war in einen Raum gegangen, der früher anscheinend einmal eine Waschküche gewesen war. Er drehte die Hähne auf und ließ Wasser in ein fleckiges Betonbecken laufen. Ein verdrecktes grünes Stück Seife lag in einer rostigen Metallschale neben den Wasserhähnen, und ehe er sich damit einseifte, nahm er ein Taschenmesser heraus und kratzte damit die Schmutzkruste ab. Während das Wasser warm wurde, zog er seinen Pulli aus und reichte ihn Barbara.
»Würden Sie den einen Moment halten«, sagte er und begann, sich das Gesicht zu waschen.
Barbara sah sich nach einem Handtuch um. Es war nichts anderes da als ein fadenscheiniger Frotteelappen, der
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