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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Untersuchung, Mama. Na, was sagst du, ist das nicht ein großer beruflicher Fortschritt? Mit einer Aufgabe betraut zu werden, die doch um einiges wichtiger war, als Lynley Sandwiches aus der Kantine zu holen, stellte in Barbaras Leben eine bedeutende Entwicklung dar. Und sie hatte es nicht erwarten können, ihre Aufregung darüber mit einem anderen Menschen zu teilen.
    Zuerst hatte sie es bei ihren Nachbarn versucht. Auf dem Weg zu ihrem winzigen Häuschen am Ende des Gartens in Eton Villas hatte sie an der Erdgeschoßwohnung des ehrwürdigen edwardianischen Hauses geläutet, um ihre Neuigkeiten an den Mann zu bringen. Aber weder Khalidah Hadiyyah - die, acht Jahre alt, Barbara häufig Gesellschaft beim Grillen im Garten, bei Ausflügen in den Zoo und Bootsfahrten nach Greenwich leistete - noch ihr Vater, Taymulla Azhar, waren zu Hause gewesen, um mit angemessenem Beifall auf die große Veränderung in ihrem Berufsleben zu reagieren. Daraufhin hatte sie Hosen, Pullover, Unterwäsche und ihre Zahnbürste eingepackt und war nach Greenford gefahren, um es ihrer Mutter zu erzählen.
    Sie fand sie, zusammen mit den anderen Frauen, die in Hawthorne Lodge ein Heim gefunden hatten, in dem Alkoven, der als Speisezimmer diente. Dort saßen sie alle gemeinsam um den Tisch, wo Florence Magentry - ihre Betreuerin, Pflegerin, Vertraute, Animateurin und sanfte Aufseherin - ihnen beim Zusammensetzen eines dreidimensionalen Puzzles half. Der Abbildung auf dem Deckel der Schachtel konnte Barbara entnehmen, daß es ein viktorianisches Herrenhaus werden sollte. Im Augenblick sah es eher aus wie ein Trümmerhaufen nach dem großen Luftangriff auf London.
    »Es ist eine gute Übung für uns«, erklärte Mrs. Flo und strich sich dabei sorgsam über das perfekte frisierte graue Haar.
    »Wir tasten die einzelnen Teile mit den Fingern ab, und unser Gehirn knüpft die Verbindungen zwischen den Formen, die wir sehen, den Formen, die wir ertasten, und den Formen, die wir brauchen, um das Puzzle aufzubauen. Und wenn es fertig ist, haben wir ein wunderschönes Haus, das wir uns ansehen können, nicht wahr, meine Lieben?«
    Die drei anderen Frauen am Tisch murmelten zustimmend, sogar Mrs. Pendlebury, die völlig erblindet war und deren Beitrag zu der Unterhaltung offenbar darin bestand, daß sie sich in ihrem Sessel hin und her wiegte und Tammy Wynette, deren Stimme aus Mrs. Magentrys alter Stereoanlage erklang, leise summend begleitete. Sie hielt ein Stück des Puzzles in ihrer Hand, aber anstatt mit den Fingern seiner Form nachzuspüren, drückte sie es an ihre Wange und sang wehmütig:
    »Ach, manchmal ist's schwer, eine Frau zu sein ...«
    Das kann man wohl sagen, dachte Barbara. Sie setzte sich auf den Stuhl neben ihrer Mutter, den Mrs. Flo für sie frei gemacht hatte.
    Doris Havers widmete sich mit Enthusiasmus dem Spiel. Eifrig bemühte sie sich, eine der Mauern des Herrenhauses zusammenzufügen, und erzählte dabei Mrs. Salkild und Mrs. Pendlebury, daß das Haus, das sie da gerade bauten, genauso aussehen, wie das, in dem sie auf ihrer Reise nach San Francisco im letzten Herbst als Gast gewohnt hatte. »Ach, das ist eine wunderbare Stadt«, erklärte sie schwärmerisch. »Hügel, die rauf und runter gehen, dazu die Seilbahnen, die da mühsam raufkeuchen, und die Möwen über der Bucht. Ach, und die Golden-Gate-Brücke. In Nebelschwaden eingehüllt wie mit weißer Zuckerwatte ... Das ist ein Anblick, den ich nie vergessen werde.«
    Sie war nie in San Francisco gewesen. Doch im Geist hatte sie die ganze Welt bereist und hatte ein halbes Dutzend Alben voll gewissenhaft aus Reiseprospekten ausgeschnittener Bilder, um es zu beweisen.
    »Mama?« sagte Barbara zu ihr. »Mama, ich wollte dich nur auf einen Sprung besuchen. Ich bin unterwegs nach Wiltshire. Ich muß da einen Fall übernehmen.«
    »Salisbury ist in Wiltshire«, verkündete Doris Havers. »Da gibt es eine Kathedrale. Dort habe ich meinen Jimmy geheiratet, denkt mal. Hab' ich das schon mal erzählt? Die Kathedrale ist natürlich nicht viktorianisch wie dieses wunderschöne Haus hier ...« Sie griff, vor Barbara zurückschreckend, hastig nach einem weiteren Stück des Puzzles.
    »Mama«, sagte Barbara. »Ich wollte dir das erzählen, weil es das erstemal ist, daß ich ganz allein verantwortlich bin. Für einen Fall. Inspector Lynley leitet die Ermittlungen hier am Ort, und ich leite sie drüben in Wiltshire. Ich ganz allein.«
    »Die Kathedrale von Salisbury hat einen anmutigen Turm«,

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