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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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entspannt. Herzvorhof und Herzkammer rechts waren prall mit Blut gefüllt. Die Luftbläschen waren emphysematös, die Lunge war hell. Die Tracheen, Bronchien und Bronchiolen waren alle mit Schaum belegt. Der Schleim war rot gefärbt, mit Blut überfüllt. Unter der Pleura waren keine Petechien festzustellen.«
    »Und was heißt das alles?«
    »Sie ist ertrunken.« Der Pathologe trank einen Schluck aus seinem Becher.
    »Wann genau?«
    »Ein ›Genau‹ gibt es bei Ertrinken nie. Aber ich würde sagen, sie ist etwa vierundzwanzig bis sechsunddreißig Stunden vor Auffindung der Leiche gestorben.«
    Barbara rechnete schnell. »Aber das heißt, daß sie vielleicht schon am Samstagmorgen in den Kanal geworfen wurde«, sagte sie, »und nicht erst am Sonntag.«
    Es konnte also gut sein, daß in Allington jemand das Auto bemerkt hatte, mit dem das kleine Mädchen zum Kanal gebracht worden war. Denn samstags standen die Bauern, wie Robin ihr erzählt hatte, wie gewöhnlich um fünf Uhr auf. Nur sonntags schliefen sie sich aus. Sie drehte sich zu Stanley um und sagte: »Wir müssen noch einmal sämtliche Bewohner von Allington befragen. Diesmal im Hinblick auf den Samstag und nicht auf den Sonntag. Es kann sein -«
    »Das habe ich nicht gesagt, Sergeant«, unterbrach sie der Pathologe.
    Barbara richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn. »Was haben Sie nicht gesagt?«
    »Ich habe nicht gesagt, daß sie vierundzwanzig bis sechsunddreißig Stunden im Kanal gelegen hat, ehe sie gefunden wurde. Ich habe gesagt, so lange war sie tot, bevor sie gefunden wurde. An meiner Schätzung hinsichtlich der Zeitspanne, die sie im Kanal gelegen hat, hat sich nichts geändert. Ich bleibe bei zwölf Stunden.«
    Barbara ließ sich seine Worte stirnrunzelnd durch den Kopf gehen. »Aber Sie sagten doch, sie sei ertrunken.«
    »O ja, sie ist ertrunken.«
    »Wollen Sie dann behaupten, daß jemand die Leiche im Wasser gefunden hat, sie aus dem Kanal herausgeholt und später wieder hineingeworfen hat?«
    »Nein. Ich behaupte lediglich, daß sie nicht im Kanal ertrunken ist.« Er kippte den Rest seines Kaffees hinunter und stellte den Becher auf das Fernsehgerät. Dann ging er zu einem Schrank und kramte aus einem Karton ein frisches Paar Handschuhe heraus. Er schlug mit den Handschuhen klatschend auf seine Handfläche. »Schauen Sie, bei typischem Ertrinken spielt sich folgendes ab«, sagte er. »Während sich das Opfer unter Wasser befindet, werden mit einem einzigen tiefen Atemzug alle möglichen Fremdpartikel in den Körper eingesogen. Unter dem Mikroskop lassen sich diese Fremdkörper in der Flüssigkeit, die man der Lunge des Opfers entnommen hat, nachweisen: Algen, Schlick, Diatomee. In unserem Fall hätten diese Algen-, Schlick- und Diatomeeteilchen mit der Probe aus dem Kanal übereinstimmen müssen.«
    »Und dem ist nicht so?«
    »Nein. Weil diese Teilchen überhaupt nicht vorhanden waren.«
    »Aber könnte das nicht bedeuten, daß sie diesen ›einzigen tiefen Atemzug‹ unter Wasser gar nicht gemacht hat?«
    Er schüttelte den Kopf. »Das ist eine automatische Atemfunktion, Sergeant, die beim Erstickungstod stets eintritt. Außerdem war ja Wasser in ihrer Lunge. Wir wissen also mit Sicherheit, daß sie unter Wasser eingeatmet hat. Aber die Analyse hat gezeigt, daß das Wasser in ihrer Lunge nicht aus dem Kanal kam.«
    »Ich vermute, damit wollen Sie sagen, daß sie woanders ertrunken ist.«
    »Richtig.«
    »Können wir mit Hilfe des Wassers in ihrer Lunge sagen, wo sie gestorben ist?«
    »Unter gewissen Umständen wäre das möglich, ja. Unter diesen Umständen nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil die Flüssigkeit in ihrer Lunge Leitungswasser war. Sie kann also praktisch überall gestorben sein. Vielleicht hat man Ihr den Kopf in eine Badewanne oder eine Toilette gedrückt. Vielleicht hat man sie, mit dem Kopf in einer gefüllten Wanne, an den Füßen aufgehängt. Sie kann auch in einem Schwimmbecken ertrunken sein. Chlor löst sich rasch auf, und wir haben bei ihr keine Spuren davon gefunden.«
    »Aber wenn es so war«, wandte Barbara ein, »wenn sie wirklich unter Wasser gehalten worden ist, müßten dann nicht Irgendwelche Spuren vorhanden sein? Blutergüsse an Hals und Schultern? Male an den Hand- oder Fußgelenken, wo man sie gefesselt hatte?«
    Der Pathologe schob seine rechte Hand in einen der Latexhandschuhe. »Es war nicht nötig, sie unter Wasser zu halten«, sagte er.
    »Wieso nicht?«
    »Sie wurde betäubt, ehe sie ertränkt

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