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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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wurde. Das ist auch der Grund, weshalb die typischen Merkmale des Ertrinkens bei ihr weniger ausgeprägt waren als sonst, wie ich ja schon gesagt habe.«
    »Bewußtlos? Aber Sie haben nichts von einem Schlag auf den Kopf oder -«
    »Sie wurde nicht durch einen Schlag betäubt, Sergeant. Sie wurde weder vor noch nach ihrem Tod in irgendeiner Weise mißhandelt. Aber der toxikologische Befund zeigt, daß sie mit einem Benzodiazepinderivat vollgepumpt war. Eine hochgiftige Dosis in Anbetracht ihres Körpergewichts.«
    »Aber keine tödliche Dosis«, sagte Barbara.
    »Nein.«
    »Und wie sagten Sie? Ein Benzo - was?«
    »Ein Benzodiazepinderivat. Das ist ein Beruhigungsmittel. In diesem Fall handelt es sich um Diazepam, das Sie wahrscheinlich unter seinem Handelsnamen kennen.«
    »Und der ist?«
    »Valium. Aufgrund der in ihrem Blut enthaltenen Menge - und der kaum ausgeprägten Anzeichen des Ertrinkens - können wir sagen, daß sie bewußtlos war, als sie ins Wasser gelegt wurde.«
    »Und tot, als sie in den Kanal geworfen wurde?«
    »O ja. Sie war tot, als sie in den Kanal kam. An die vierundzwanzig Stunden, würde ich sagen.«
    Der Pathologe zog sich den zweiten Handschuh über und suchte in seinem Schrank nach einer Gazemaske. Mit einer Kopfbewegung zum Nebenraum bemerkte er: »Die nächste wird leider ziemlich übelriechend sein.«
    »Wir wollten sowieso gerade gehen«, sagte Barbara.
    Auf dem Rückweg zum Parkplatz versuchte sie sich darüber klarzuwerden, was der pathologische Befund für die Ermittlungen zu bedeuten hatte. Sie hatte geglaubt, sie machten allmählich, wenn auch langsam, Fortschritte; nun sah es ganz so aus, als stünden sie wieder am Anfang. Leitungswasser in Charlotte Bowens Lunge. Das hieß, sie konnte vor ihrem Tod praktisch überall festgehalten worden sein; sie konnte ebensogut in London wie in Wiltshire ertränkt worden sein. Und wenn das zutraf, wenn das kleine Mädchen in London ermordet worden war, dann konnte sie auch in London festgehalten worden sein. Der Entführer hätte reichlich Zeit gehabt, sie in London zu töten und den Leichnam zum Kennet & Avon-Kanal hinauszufahren. Auch das Valium - ein Beruhigungsmittel, das man sich verschreiben ließ, um mit dem Streß des Großstadtlebens fertig zu werden - sprach für London. Charlotte Bowen konnte also durchaus von einem Londoner entführt und getötet worden sein; er oder sie brauchte nur ausreichend mit Wiltshire vertraut zu sein.
    Es war daher gut möglich, daß Sergeant Stanleys Bemühungen, ein Suchnetz über die ganze Umgebung zu werfen, umsonst waren, daß er umsonst ein Heer von Leuten losgeschickt hatte, um nach dem Versteck fahnden zu lassen, in dem Charlotte Bowen festgehalten worden war. Und es war ebenso wahrscheinlich, daß sie selbst den guten Robin Payne auf einen Metzgergang geschickt hatte, bei dem er einen wertvollen Tag damit vergeuden würde, von einem Bootsverleih zum anderen zu tuckern, ganz zu schweigen von Sägewerken, Kanalschleusen, Windmühlen und Wasserreservoirs.
    So eine gottverdammte Verschwendung von Arbeitskraft, dachte sie. Sie suchten nach einer Nadel, die wahrscheinlich gar nicht existierte. In einem Heuhaufen, der die Größe der Isle of Wight hatte.
    Wir brauchen einen Anhaltspunkt, sagte sie sich. Irgend etwas, was uns weiterhilft. Jemanden, der die Entführung beobachtet hat. Ein Kleidungsstück Charlottes. Eins ihrer Schulbücher. Mehr als nur eine Leiche mit Wagenschmiere unter den Fingernägeln. Etwas, was uns Auskunft darüber gibt, wo das Kind gefangengehalten wurde.
    Was könnte das sein? Und wie um alles in der Welt sollten sie es hier in dieser weiten Landschaft finden - wenn es überhaupt hier war und nicht in London?
    Sergeant Stanley war auf der Treppe stehengeblieben. Mit gesenktem Kopf zündete er sich eine Zigarette an. Er bot ihr die Packung an. Sie faßte es als stillschweigendes Waffenstillstandsangebot auf. Bis sie das Feuerzeug sah. Es war eine nackte Frau. Von der Taille aus vornüber gebeugt. Und die Flamme schoß aus ihrem Hintern.
    Gottverdammich, dachte Barbara. Ihr war immer noch übel, sie hatte Kopfschmerzen, und sie versuchte verzweifelt, etwas mit den Informationen anzufangen, die der Pathologe ihnen gegeben hatte. Und da mußte sie sich auch noch mit diesem Weiberfeind in der Verkleidung eines Polizisten herumschlagen. Er wartete darauf, daß sie rot anlaufen und irgendeine ultrafeministische Bemerkung machen würde, die er später bei seinen Kumpeln zur allgemeinen

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