08 - Im Angesicht des Feindes
Erheiterung würde zum besten geben können.
Ganz wie du willst, dachte sie. Es wird mir ein Vergnügen sein, dir entgegenzukommen, du Schwein. Sie nahm das Feuerzeug. Sie drehte es herum. Sie blies die Flamme aus. Sie zündete sie an. Sie blies sie wieder aus. »Wirklich umwerfend«, sagte sie. »Absolut unglaublich. Ist es Ihnen auch schon aufgefallen?«
Er biß an. »Was denn?«
»Wenn Sie Ihre Hose runterlassen und Ihren Hintern in die Luft strecken, könnten Sie das sein, Sergeant Stanley.«
Sie knallte ihm das Feuerzeug in die Hand. »Danke für die Zigarette.« Sie ging zu ihrem Wagen.
In den leerstehenden Häusern in der George Street wimmelte es von Beamten der Spurensicherung. Mit ihren Taschen, Beuteln, Flaschen und anderen Gerätschaften eilten sie geschäftig durch das Haus, das St. James und Helen vor ein paar Tagen inspiziert hatten. Im obersten Stockwerk rollten sie den Teppich auf, um ihn zur Analyse ins Labor zu bringen, und suchten mit besonderer Aufmerksamkeit nach Fingerabdrücken.
Unter dem schwarzen Pulver, das sie auf Tür und Türknauf, Fensterbrett, Wasserhahn, Fensterscheibe und Spiegel stäubten, wurden die Abdrücke sichtbar. Es waren Hunderte. Sie sahen aus wie die abgerissenen und zerfetzten Flügel schwarzer Insekten. Jeden einzelnen sicherten und verzeichneten die Beamten, nicht nur solche, die dem Bild nach zu jenem paßten, den St. James am Batteriefach des Kassettenrecorders entdeckt hatte. Es sprach einiges dafür, daß bei Charlotte Bowens Entführung mehr als eine Person die Hand im Spiel gehabt hatte. Ein identifizierbarer Fingerabdruck konnte sie zu dieser Person führen und vielleicht den Durchbruch bringen, auf den alle warteten - immer vorausgesetzt, diese leerstehenden Häuser hatten in dem Fall tatsächlich eine Rolle gespielt.
Lynley bat sie, zwei Gegenständen besondere Aufmerksamkeit zu widmen: dem Badezimmerspiegel und den Wasserhähnen darunter sowie dem vorderen Fenster, dessen eine Scheibe jemand blankgerieben hatte, damit er oder sie durch die Lücke zwischen den Häusern auf die St.-Bernadette-Schule in der Blandford Street sehen konnte.
Lynley selbst war in der kleinen Küche, wo er Schränke und Schubladen durchsah für den Fall, daß St. James bei seiner Durchsuchung der Wohnung etwas übersehen hatte. Es war kaum etwas da, und er stellte fest, daß St. James ihm bei ihrem Gespräch am vergangenen Nachmittag alle Gegenstände ohne Ausnahme aufgezählt und mit gewohnter Genauigkeit beschrieben hatte. In einem Schrank stand der rote Blechbecher, In einer Schublade lagen die verbogene Gabel und ein paar rostige Nägel, auf der Arbeitsplatte standen zwei schmutzige Gläser. Das war alles.
Während aus dem Hahn über dem Spülbecken leise Wasser tropfte, beugte sich Lynley tiefer über die staubbedeckte Arbeitsplatte und musterte sie genau. Er ging in die Knie, bis er sie in Augenhöhe hatte, und ließ langsam seinen Blick über sie hinweggleiten. Es konnte ja sein, daß irgendeine Kleinigkeit auf dem gesprenkelten Resopal unbemerkt geblieben war. Er ließ sein Auge von der Wand zum äußeren Rand der Arbeitsplatte schweifen, vom äußeren Rand zu der Metalleinfassung, die sie mit dem Spülbecken verband. Und da sah er es. Ein kleines blaues Teilchen - nicht viel größer als ein Splitter von einem Zahn - war in einer Ritze unter dem Metallband zwischen Spülbecken und Arbeitsplatte eingeklemmt.
Mit einem feinen Messer aus einer Gerätetasche der Spurensicherung löste er das blaue Teilchen vorsichtig aus der Ritze.
Es hatte einen ganz schwachen medizinischen Geruch, und als er es auf seine Handfläche legte und mit dem Fingernagel daran kratzte, stellte er fest, daß es leicht krümelte. Ein Stück von einer Tablette? Irgendein Waschmittel? Er gab es in ein Fläschchen, das er etikettierte und einer der Beamtinnen der Spurensicherung mit der Bitte übergab, es so bald wie möglich analysieren zu lassen.
Dann trat er aus der Wohnung in das muffige Treppenhaus hinaus. In das verbarrikadierte Gebäude kam kaum frische Luft. Es roch nach Mäusen oder Ratten, verfaulenden Nahrungsmitteln und Exkrementen, und durch die Wärme des Spätfrühlingswetters staute sich der Geruch noch. Constable Winston Nkata schimpfte darüber, als er auf dem Weg nach oben Lynley traf, der eben die Treppe hinunter in den zweiten Stock ging. Ein tadellos gebügeltes weißes Taschentuch auf Mund und Nase gedrückt, knurrte der Constable: »Das ist hier ja die reinste
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