Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
gesprungen, aber sie sah ein, daß es sinnlos war, sich mit ihm auf eine offene Konfrontation einzulassen. Es war klar, daß er nicht wanken und weichen würde, solange sein Gegner eine Frau war. Sie würde zu anderen Mitteln greifen müssen, um diesen eingebildeten Widerling außer Gefecht zu setzen.
    Sie folgte ihm durch den Korridor und bog nach rechts in den Vernehmungsraum ab. Dort wartete, auf der äußersten Kante eines Plastikstuhls kauernd, Howard Short, ein Junge um die Zwanzig mit großen Froschaugen. Er hatte einen ölverschmierten Overall an, wie man das von einem Mechaniker erwartet, und eine Baseballmütze mit dem Wort Braves über dem Schirm auf dem Kopf. Er hielt beide Hände auf seinen Magen gedrückt.
    Noch ehe Stanley oder Barbara etwas sagen konnten, begann er zu sprechen. »Hier geht's um das kleine Mädchen, stimmt's?« fragte er. »Klar, ich weiß es. Ich hab's schon gewußt, als der Kerl in meinem Lumpensack rumgewühlt und es gefunden hat.«
    »Was?« fragte Stanley. Er setzte sich rittlings auf einen Stuhl und bot Short eine Zigarette an.
    Der schüttelte den Kopf und drückte seine Hände noch fester auf seinen Magen. »Ich hab' ein Magengeschwür.«
    »Was?«
    »Ein Magengeschwür.«
    »Ich hab's gehört. Also, was wurde in Ihrem Lumpensack gefunden, Howard?«
    Der Junge sah Barbara mit einem Blick an, als suchte er die tröstende Gewißheit, daß jemand auf seiner Seite stehen würde. Sie sagte: »Was war in dem Sack, Mr. Short?«
    »Das«, antwortete er, »was sie gefunden haben. Die Uniform.« Er wiegte sich stöhnend auf seinem Stuhl. »Ich weiß nichts von der Kleinen. Ich kauf nur -«
    »Warum hast du sie entführt?« fragte Stanley scharf.
    »Hab' ich doch gar nicht.«
    »Wo hast du sie versteckt gehalten? In der Werkstatt?«
    »Ich hab' niemanden versteckt gehalten ... ich hab' die Kleine nicht entführt ... Ich hab's im Fernsehen gesehen wie alle anderen auch. Ich schwör's, ich hab' das kleine Mädchen nie gesehen. Nicht ein einziges Mal.«
    »Aber es hat dir Spaß gemacht, sie auszuziehen. Ist dir wohl schön einer abgegangen, als sie nackt war, was?«
    »Ich - nie! Das hab ich nie getan!«
    »Ach, dann bist du wohl Jungfrau, hm, Howard? Oder schwul? Magst du keine Frauen?«
    »Doch, klar mag ich Frauen. Ich sag' nur -«
    »Und Mädchen? Kleine Mädchen, magst du die auch?«
    »Ich hab' das Kind nicht entführt.«
    »Aber du weißt, daß sie entführt worden ist. Wie kommt denn das?«
    »Das weiß ich aus den Nachrichten. Aus der Zeitung. Jeder weiß es. Aber ich hab' damit nichts zu tun. Ich hab' ihre Uniform nur -«
    »Aha, du hast also gewußt, daß es ihre war«, unterbrach Stanley. »Gleich von Anfang an. Richtig?«
    »Nein!«
    »Na los schon, spuck's aus. Wenn du uns die Wahrheit sagst, wird alles gleich viel leichter.«
    »Das versuch' ich ja gerade. Ich sag' Ihnen doch, daß der Lumpen -«
    »Du meinst die Uniform. Die Schuluniform eines kleinen Mädchens. Die Schuluniform eines toten kleinen Mädchens, Howard. Du bist doch nur gerade mal anderthalb Kilometer vom Kanal entfernt, stimmt's?«
    »Ich hab's nicht getan«, beteuerte Howard Short. Er krümmte sich über seinen Armen zusammen, um den Druck auf seinen Magen zu verstärken. »Das tut so verdammt weh«, stöhnte er.
    »Hör auf mit den Spielchen«, schnauzte Stanley ihn an.
    »Bitte, kann ich ein Glas Wasser für meine Tabletten haben?« Short zog vorsichtig einen Arm von seinem Magen weg, griff in die Tasche seines Overalls und holte eine Tablettendose aus Kunststoff heraus, die die Form eines Schraubenschlüssels hatte.
    »Erst wird geredet, dann gibt's die Tabletten«, versetzte Stanley.
    Barbara riß die Tür zum Korridor auf, um nach einem Glas Wasser zu rufen. Die Schreibkraft, die Stanley beauftragt hatte, ihnen Kaffee zu bringen, stand mit zwei Plastikbechern auf der Schwelle. Barbara lächelte, sagte aufrichtig: »Tausend Dank« und reichte ihren Becher dem Mechaniker.
    »Hier«, sagte sie. »Nehmen Sie Ihre Tabletten damit, Mr. Short.« Sie holte ihren Stuhl und stellte ihn neben den zitternden jungen Mann. Dann sagte sie ruhig: »Können Sie uns jetzt einmal erzählen, woher Sie die Uniform haben?«
    Howard Short schob zwei Tabletten in den Mund und spülte sie mit dem Kaffee hinunter. Um Barbara, die jetzt neben ihm saß, ansehen zu können, mußte er sich umdrehen und bot nun Stanley nur noch sein Profil. Barbara beglückwünschte sich im stillen zu ihrem geschickten Manöver, das das

Weitere Kostenlose Bücher