08 - Im Angesicht des Feindes
untersuchen und tun alles, was überhaupt möglich ist, um das rauszuholen, was uns zu ihrem Mörder führt. Ob es nun Howard Short ist oder der Prinz von Wales. Habe ich mich klar genug ausgedrückt, oder wollen Sie es lieber schriftlich von Ihrem County Constable?«
Stanley preßte die Lippen aufeinander. »Na schön«, knirschte er. »Sie können mich mal, Chef.«
»Da können Sie lange warten«, versetzte Barbara, machte kehrt und ging zurück in den Veranstaltungsraum. Wo zum Teufel, fragte sie sich, ist Stanton St. Bernard?
21
Obwohl gerade einer der Hausmeister dabei war, seine Fotosammlung aufzuhängen, war Assistant Commissioner Sir David Hillier nicht gewillt gewesen, die tägliche Berichterstattung zu verschieben. Und er hatte es abgelehnt, die Sitzung in einen anderen Raum zu verlegen, wo er die Anordnung der Bilder, die die Geschichte seiner Laufbahn dokumentierten, nicht hätte beaufsichtigen können. Lynley war daher nichts anderes übriggeblieben, als sich ans Fenster zu stellen, in stark gedämpften Tönen zu berichten und Hilliers ständige Unterbrechungen hinzunehmen. Diese Unterbrechungen dienten nicht etwa dazu, ihm Fragen zu stellen; sie wurden vielmehr durch Anweisungen an den Hausmeister verursacht, der sich bemühte, die Fotografien so zu hängen, daß kein Sonnenlicht auf sie fiel. Direktes Sonnenlicht ließ die Bilder nicht nur verblassen, es hatte außerdem einen unangenehmen Spiegeleffekt, der Besuchern den Blick auf die Bilder unmöglich machte und ihnen damit die Gelegenheit zu angemessener Bewunderung raubte. Und das ging nicht an.
Lynley schloß seinen Bericht ab und wartete auf Hilliers Kommentar. Der bewunderte gerade die Aussicht auf die Victoria Street und zupfte sich am Kinn, während er sich das Gehörte durch den Kopf gehen ließ. Als er schließlich sprach, bewegte er mit Rücksicht auf die strenge Vertraulichkeit der Angelegenheit kaum die Lippen. »Ich habe in einer halben Stunde eine Pressekonferenz«, sagte er. »Ich muß den Leuten für morgen etwas zu kauen geben.« Es hörte sich an, als überlegte er, was für einen Köder er den Haien hinwerfen könnte.
»Wie steht's mit diesem Mechaniker, den Havers in Wiltshire aufgestöbert hat? Wie heißt er gleich wieder?«
»Sergeant Havers glaubt nicht, daß er mit der Sache zu tun hat. Sie läßt zur Zeit die Schuluniform der kleinen Bowen untersuchen. Vielleicht kommt etwas dabei heraus. Aber sie meint nicht, daß das Ergebnis uns eine Verbindung zwischen dem Mechaniker und Charlotte Bowen bringen wird.«
»Trotzdem ...«, sagte Hillier. »Es macht sich immer gut, einen Zeugen vorzuweisen, der der Polizei bei den Ermittlungen hilft. Sie überprüft den Mann doch?«
»Wir überprüfen jeden.«
»Und?«
Lynley widerstrebte es preiszugeben, was er wußte. Hillier hatte den Hang, vor der Presse zu protzen, alles im Namen des hohen Leistungsniveaus von New Scotland Yard. Doch die Zeitungen wußten bereits zuviel, und ihnen ging es nicht darum, für Gerechtigkeit zu sorgen. Ihnen lag einzig daran, die nächste sensationelle Neuigkeit schneller auf den Markt zu werfen als die Konkurrenz.
»Wir suchen nach einer Verbindung. Blackpool-Bowen-Luxford-Wiltshire.«
»Na, mit der Suche nach Verbindungen können wir vor der Presse und der Öffentlichkeit nicht gerade glänzen, Inspector.«
»SO4 prüft die Fingerabdrücke, die wir in Marylebone gesichert haben, und wir haben eine Zeichnung eines möglichen Verdächtigen. Sagen Sie den Leuten, daß wir dabei sind, mögliches Beweismaterial zu analysieren. Dann verteilen Sie die Zeichnungen. Das sollte die Meute zufriedenstellen.«Hillier musterte ihn nachdenklich. »Aber Sie haben mehr, richtig?«
»Nichts Konkretes«, antwortete Lynley.»Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, als ich Ihnen den Fall übergeben habe. Ich möchte umfassende Berichte.«
»Es hat doch keinen Sinn, daß ich noch mehr Verwirrung stifte«, sagte Lynley und fügte »Sir« hinzu, um Hillier zu besänftigen, der wohl weniger verwirrt als empört war.
»Hmpf.« Hillier wußte, daß dieses »Sir« von Lynley nicht gerade ein Zeichen inniger Freundschaft war. Er schien zu einem scharfen Befehl anzusetzen, der zum offenen Kampf zwischen ihnen führen würde, doch ein Klopfen an der Tür hielt ihn davon ab. »Sir David?« erscholl die Stimme seiner Sekretärin durch die geschlossene Tür. »Ich sollte Ihnen doch eine halbe Stunde vor der Pressekonferenz Bescheid geben. Ich habe den Visagisten
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