08 - Im Angesicht des Feindes
Kräftegleichgewicht zu ihren Gunsten verschoben hatte.
»Von der Ramschbude«, sagte Short.
»Von welcher Ramschbude?«
»Auf dem Kirchenbasar. Wir haben jedes Jahr im Frühling einen Kirchenbasar, und dieses Jahr war er am Sonntag. Ich bin mit meiner Großmutter hingefahren, weil sie eine Stunde in der Teebude arbeiten mußte. Es hätte sich nicht gelohnt, sie hinzufahren, dann heimzufahren und nach einer Stunde wieder abzuholen, drum bin ich geblieben. Und da hab' ich die Lumpen gekauft. Sie haben sie in der Ramschbude verkauft. Plastiksäcke voll Lumpen. Einen für ein Pfund fünfzig. Ich hab' gleich drei gekauft, weil ich Lumpen bei der Arbeit immer gebrauchen kann. Und es war ja für eine gute Sache«, fügte er ernsthaft hinzu. »Sie sammeln Geld, um eins von den Fenstern im Altarraum restaurieren zu lassen.«
»Wo?« fragte Barbara. »In welcher Kirche, Mr. Short?«
»In Stanton St. Bernard. Da wohnt meine Großmutter.« Er blickte von Barbara zu Sergeant Stanley. »Ich sag' die Wahrheit«, beteuerte er. »Ich hab' von der Uniform nichts gewußt. Ich hab' nicht mal gewußt, daß sie in dem Sack ist. Erst als die Polizisten ihn ausgeleert haben, hab' ich sie gesehen. Ich hatte den Sack ja noch nicht mal aufgemacht. Ich schwör's.«
»Wer hat in der Bude verkauft?« warf Stanley ein.
Short leckte sich die Lippen, warf einen Blick zu Stanley, sah wieder Barbara an. »Ein junges Mädchen. Blond.«
»Eine Freundin von dir?«
»Ich hab' sie nicht gekannt.«
»Und du hast sie nicht angequatscht? Hast sie nicht nach ihrem Namen gefragt?«
»Ich hab' ihr nur die Lumpen abgekauft.«
»Hast nicht mal dein Glück versucht? Dir vorgestellt, wie sie im Bett wäre?«
»Nein.«
»Warum denn nicht? War sie dir zu alt? Magst du sie lieber jünger?«
»Ich hab' sie nicht gekannt, okay? Ich hab' nur die Lumpen gekauft, wie ich schon gesagt hab'. Ich weiß nicht, woher sie die Lumpen haben. Ich weiß nicht, wie das Mädchen heißt, das sie mir verkauft hat. Und auch wenn ich es wüßte, hat es wahrscheinlich auch keine Ahnung, woher das ganze Zeug kommt. Es hat ja nur an der Bude gearbeitet, das Geld kassiert und die Säcke ausgegeben.
Wenn Sie mehr wissen wollen, sollten Sie wahrscheinlich -«
»Ach, du verteidigst sie?« fuhr Stanley dazwischen. »Warum denn das, Howard?«
»Ich versuch' euch zu helfen, verdammt noch mal!« schrie Short.
»Ja, das glaub' ich. Wie ich auch glaube, daß du die Uniform dieses kleinen Mädchens schon gehabt hast und dann in den Lumpensack gesteckt hast, den du auf dem Kirchenbasar gekauft hast.«
»Das ist nicht wahr!«
»Wie ich auch glaube, daß du sie zuerst entführt hast, dann betäubt und dann ertränkt.«
»Nein!«
»Wie ich auch -«
Barbara stand auf. Sie berührte Shorts Schulter. »Danke für Ihre Hilfe«, sagte sie in abschließendem Ton. »Wir werden alles, was Sie uns gesagt haben, überprüfen, Mr. Short. - Sergeant Stanley?« Sie wies mit einer Kopfbewegung zur Tür und ging aus dem Vernehmungsraum.
Stanley folgte ihr in den Korridor. Sie hörte ihn sagen:
»Bockmist! Wenn dieser kleine Mistkerl glaubt -«
Sie drehte sich mit einem Ruck zu ihm um. »Von wegen kleiner Mistkerl. Vielleicht fangen Sie zur Abwechslung mal an, Ihren Kopf zu gebrauchen. Wenn wir einen Zeugen so brutal unter Druck setzen, kommt dabei gar nichts raus. Wie es bei dem Jungen ja beinahe gewesen wäre.«
»Nehmen Sie dem Kerl diesen ganzen Quatsch über Teebuden und Blondinen etwa ab?« Stanley prustete verächtlich.
»Der ist nicht sauber, das sag' ich Ihnen.«
»Wenn er nicht sauber ist, werden wir ihn überführen. Aber wir tun's ordnungsgemäß oder gar nicht. Kapiert?« Sie wartete nicht auf eine Antwort. »So, dann schicken Sie die Uniform jetzt mal ins Labor, Reg. Die sollen jeden Millimeter untersuchen. Ich möchte Haare, Haut, Blut, Schmutz, Wagenschmiere, Sperma. Ich möchte Hundescheiße, Kuhscheiße, Vogelscheiße, Pferdescheiße und alles, was vielleicht sonst noch dran ist. In Ordnung?«
Der Sergeant verzog geringschätzig den Mund. »Verschwenden Sie nicht die Arbeitskraft meiner Leute, Scotland Yard. Wir wissen, daß es die Uniform der Kleinen ist. Wenn wir Bestätigung brauchen, zeigen wir sie ihrer Mutter.«
Barbara pflanzte sich direkt vor ihm auf. »Richtig. Wir wissen, daß es ihre Uniform ist. Aber wir wissen nicht, wer ihr Mörder ist, stimmt's, Reg? Und darum nehmen wir jetzt diese Uniform und lassen sie auskämmen, ausbürsten, lasern und faseroptisch
Weitere Kostenlose Bücher