08 - Im Angesicht des Feindes
»Zwanzig Minuten, Fred« antwortete er mit einem zustimmenden Grunzen. Sie stieß die Bronzetür auf, wo Sicherheitsposten darüber wachten, daß sich keine Terroristen einschleichen und die florierenden Geschäfte stören konnten, und steuerte auf die Rolltreppe zu. Trotz der späten Nachmittagsstunde drängten sich dort die Leute, und sie fand sich zwischen drei von Kopf bis Fuß vermummten Inderinnen und einer Schar mit Einkaufstüten beladener deutscher Touristen eingezwängt.
In der vierten Etage kämpfte sie sich durch Unterwäsche, Badeanzüge, Mädchen mit Strohhüten und Rastafaris zum Trend-Shop durch, wo, hinter Puppen in schicken schwarzen Jeans, schwarzen Pullis, schwarzen Boleros, schwarzen Westen und schwarzen Baskenmützen halb verborgen, der Eingang zum Restaurant war, in dem sich die modebewußte Kundschaft stärkte.
Dennis Luxford war schon da. Es war ihm gelungen, einen grauen Tisch zu erobern, der in einer Ecke stand und von einer gewaltigen gelben Säule teilweise abgeschirmt war. Er trank irgendein Sprudelgetränk aus einem hohen Glas und tat so, als studierte er die Speisekarte.
Eve hatte ihn seit dem Nachmittag nicht mehr wiedergesehen, an dem er erfahren hatte, daß sie schwanger war. In den nachfolgenden zehn Jahren hätten sich ihre Pfade leicht kreuzen können, besonders nachdem sie ihre politische Karriere begonnen hatte, aber sie hatte dafür gesorgt, daß das nicht geschah. Ihm war es offenbar ganz recht gewesen, von ihr Abstand zu halten, und da seine Position als Chefredakteur zuerst des Globe und dann der Source nicht verlangte, persönlichen Kontakt zu Politikern zu pflegen, wenn er das nicht wollte, hatte er nie wieder an einer Versammlung der Konservativen oder anderen Veranstaltungen teilgenommen, wo sie einander hätten begegnen können.
Er hatte sich kaum verändert. Dasselbe volle, helle Haar, dieselbe elegante Kleidung, dieselbe drahtige Figur, dieselben überlangen Koteletten. Auch die Narbe an seinem Kinn, Erinnerung an eine Schlägerei im Schlafsaal kurz nach seiner Ankunft im Knabeninternat Baverstock, war noch da, wie sie sah, als er aufstand. Als sie während ihrer sexuellen Aktivitäten im Hotelzimmer in Blackpool vor über zehn Jahren einmal eine Pause eingelegt hatten, hatten sie ihre Gesichtsnarben verglichen. Sie hatte ihn gefragt, warum er sich nicht einen Bart wachsen lasse, um die seine zu verstecken. Er hatte wissen wollen, warum sie die ihre, die ihre rechte Augenbraue teilte, mit dem überlang getragenen Pony unbedingt verstecken wolle.
»Dennis«, sagte sie, die dargebotene Hand übersehend. Sie schob sein Glas auf die andere Seite des Tisches, so daß nun er und nicht sie sich mit Blick in den Raum setzen mußte. Dann stellte sie ihren Aktenkoffer zu Boden und ließ sich auf dem Stuhl nieder, auf dem er gesessen hatte. »Ich habe genau zehn Minuten.« Sie fegte die Speisekarte weg und sagte, als der Kellner an den Tisch trat: »Einen Kaffee. Schwarz. Nichts dazu.«
Als der Kellner gegangen war, wandte sie sich Dennis zu.
»Wenn du da draußen einen Fotografen stehen hast, um diesen romantischen Moment zwischen uns beiden für die morgige Ausgabe einfangen zu lassen, hast du Pech gehabt. Mit meinem Hinterkopf läßt sich nicht viel anfangen. Und da ich nicht die Absicht habe, das Lokal in deiner Begleitung zu verlassen, wird es für deine begierigen Leser keine weitere Gelegenheit geben zu erfahren, daß zwischen uns beiden eine Verbindung besteht.«
Immer schon ein Meister der Verstellung, schaffte er es auch jetzt, seine wahren Gefühle zu verbergen und den Bestürzten zu spielen, wie sie feststellte. »Herrgott noch mal, Evelyn«, sagte er, »deswegen habe ich dich wirklich nicht angerufen.«
»Ich bitte dich, halte mich doch nicht für ganz dumm. Wir wissen schließlich beide, wo du politisch stehst. Es wäre dir ein Genuß, die Regierung zu Fall zu bringen. Aber meinst du nicht, du läßt dich da auf ein Risiko ein, das deine Karriere zerstören könnte, wenn deine Verbindung zu Charlotte bekannt wird?«
»Ich habe von Anfang an gesagt, daß ich bereit bin, mich vor aller Welt zu ihr zu bekennen, wenn das nötig ist, um -«
»Von dieser Verbindung spreche ich nicht, Dennis. Alte Geschichten sind längst nicht so interessant wie aktuelle Ereignisse. Das müßtest doch gerade du besser als jeder andere wissen. Nein, ich spreche von einer Verbindung jüngeren Datums und nicht davon, daß du meine Tochter gezeugt hast.«
Das Wort aus dem
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