08 - Im Angesicht des Feindes
sich über die anderen Mädchen lustig, enthüllte Brittany. Sie spottete über ihre Haare, über ihr Aussehen, sie lachte über die Antworten, die sie im Unterricht gaben, sie zog sie auf, weil sie dick oder dünn waren, sie machte ihre Stimmen nach. Vor allem, diesen Eindruck gewann jedenfalls St. James, verspottete sie Brittany Sanpaolo. Im stillen bedankte er sich sarkastisch bei Schwester Agnetis dafür, daß sie ihm dieses unangenehme Kind auf den Hals gehetzt hatte, und wollte gerade die Litanei über Charlotte Bowens Sünden unterbrechen - Lottie gibt dauernd mit ihrer Mutter an, sie gibt mit den Urlaubsreisen an, die sie mit ihren Eltern macht, sie gibt mit den Geschenken an, die sie von ihren Eltern bekommt -, als Brittany zur abschließenden Zusammenfassung ihrer Rede kam: Überhaupt gäbe es keine in der Klasse, die Lottie mochte, keine wolle in der Pause mit ihr Zusammensein, keine wolle sie in der Schule haben, keine wolle mit ihr befreundet sein - außer dieser doofen Brigitta Walters, und warum die sich mit Lottie abgebe, wisse ja jeder.
»Brigitta?« wiederholte St. James. Hier war vielleicht ein Fortschritt. Wenigstens kam Brigitta dem Klang von Breta schon näher. Der Name Breta konnte leicht eine Abkürzung von Brigitta sein, vielleicht von einem Kleinkind kreiert, das den Namen der älteren Schwester nicht aussprechen konnte.
Brigitta war in der Klasse von Schwester Vincent de Paul, wie sie von Brittany erfuhren. Sie und Charlotte sangen im Schulchor zusammen.
Sie brauchten nicht mehr als fünf Minuten, um von Schwester Vincent de Paul - mindestens achtzig Jahre alt und schwerhörig - zu erfahren, daß Brigitta Walters an diesem Tag nicht in der Schule war. Keine Entschuldigung von den Eltern, aber das sei ja heutzutage fast schon gang und gäbe. Die Eltern waren zu beschäftigt, um anzurufen, zu beschäftigt, um am Leben ihrer Kinder Anteil zu nehmen, zu beschäftigt, um mit einfacher Höflichkeit Zeit zu vertun, zu beschäftigt ...
St. James dankte Schwester Vincent de Paul hastig. Ausgestattet mit Brigitta Walters' Adresse und Telefonnummer, ergriff er die Flucht.
Es schien ganz so, als habe er endlich eine Spur.
6
»Also, was haben wir für morgen?« Dennis Luxford wies mit dem Finger auf Sarah Happleshort, seine Nachrichtenredakteurin. Sie schob den Kaugummi in ihrem Mund auf die Seite und griff zu ihren Notizen.
Rund um den Tisch in Luxfords Büro warteten die übrigen Mitarbeiter auf das Ende der täglichen Besprechung, bei der jeweils beschlossen wurde, wie der Inhalt der Zeitung am folgenden Tag aussehen sollte, welche Berichte gebracht würden, was nach Luxfords Entscheidung auf der Titelseite erscheinen sollte. Der Sportredakteur hatte sich für eine eingehendere Berichterstattung über die Auswahl der Cricket-Nationalmannschaft eingesetzt, was ihm trotz der Tatsache, daß Englands bester Schlagmann vor kurzem ermordet worden war, allseits nur höhnisches Gelächter eingebracht hatte. Im Vergleich zur Strichjungen-Sause war die Erstickung eines berühmten Cricketspielers eine Lappalie, gleichgültig, wer nun verhaftet und angeklagt worden war, bei besagter Erstickung die Hand im Spiel gehabt zu haben. Außerdem waren das »olle Kamellen«, die längst nicht den Unterhaltungswert hatten wie die verzweifelten Schadensbegrenzungsversuche der Konservativen angesichts des Skandals um ihren Abgeordneten Sinclair Larnsey und sein Tête-à-tête mit einem sechzehnjährigen Strichjungen hinter den dicht beschlagenen Fenstern eines Citroen - »Dieses miese Schwein kauft nicht mal britisch«, sagte Sarah Happleshort hell empört -, in dem das Paar angeblich »die Gefahren der Prostitution« diskutiert hatte, als es von der Polizei rüde gestört worden war.
Mit einem Bleistift tippte Sarah auf die einzelnen Punkte auf ihrer Liste. »Larnsey hat sich mit seinem Wahlausschuß getroffen. Noch keine offizielle Aussage, aber wir haben aus zuverlässiger Quelle erfahren, daß man ihn bitten wird, sein Mandat niederzulegen. East Norfolk ist anscheinend bereit, im Rahmen christlicher Nachsicht und nach der Maxime ›Wer ohne Fehl ist, der werfe den ersten Stein‹ einen kleinen Ausrutscher da und dort zu verzeihen. Aber wenn es um verheiratete Männer, minderjährige Jungen, geschlossene Automobile und den Austausch von Körperflüssigkeit und Bargeld geht, ziehen die Herrschaften die Grenze. Die brennende Frage unter den Ausschußmitgliedern schien zu sein, ob sie eine Nachwahl erzwingen
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