08 - Old Surehand II
war frei; auf dem Hinterkopf aber balancierte ein namenloses Ding, welches vor vielen, vielen Jahren vielleicht einmal ein Zylinderhut gewesen war, jetzt: aber geradezu aller Beschreibung spottete. Das hagere Gesicht zeigte einen Bart, ja, aber dieser Bart bestand aus kaum hundert Haaren, welche einsam und zerstreut die beiden Wangen, Kinn und Oberlippe bewucherten und von da lang und dünn bis fast auf den Gürtel hinabhingen. Der Jagdrock, welchen er trug, schien noch aus seiner frühesten Jugendzeit zu stammen, denn er bedeckte kaum die obere Hälfte des Leibes, und die Ärmel reichten nur wenige Zoll über die Ellbogen herab. Die zwei unglückseligen Schalen, in denen die Beine staken, konnten früher einmal Schäfte von einem Paar riesiger Schifferstiefel gewesen sein, hatten aber jetzt das Aussehen alter, durchgeglühter Ofenrohre und stießen in der Knöchelgegend auf zwei sogenannte horse-feet's, wie man sie besonders in Südamerika aus den noch lebenswarmen Häuten der Pferdefüße bereitet.
„Hast recht, Pitt Holbers“, entschied einer der Hinausblickenden; „es sind Greenbacks, die uns nicht viel angehen werden. Laßt sie machen, was sie wollen!“
Die Neugierigen kehrten an ihre Plätze zurück. Draußen ließ sich Pferdegetrappel vernehmen; eine kurze barsche Stimme ertönte, die grad so klang, als sei sie das Befehlen gewohnt, und dann öffnete sich die Tür, um die beiden einzulassen, von denen die Rede gewesen war.
Während von dem zuletzt Eintretenden nicht viel zu sagen war, wäre die Persönlichkeit dessen, der den Vortritt genommen hatte, in anderer Umgebung sicher nicht ohne Eindruck geblieben.
Ohne grad und in die Augen fallend stark gebaut zu sein, erhielt er durch eine eigentümliche Weise der Haltung und Bewegung ein ungemein kraftvolles und gebieterisches Aussehen. Sein regelmäßig, ja schön gezeichnetes Gesicht war von der Sonne tief gebräunt und wurde von einem dichten, dunklen Bart umrahmt, der breit und voll bis auf die Brust herniederging. Die Kleidung, welche er trug, war vollständig neu, und seine Waffen ebenso wie diejenigen seines Begleiters konnten erst vor kurzem den Laden des Händlers verlassen haben, so blank und sauber zeigte sich ihr Aussehen.
Der echte Trapper oder Squatter hegt einen unüberwindlichen Widerwillen gegen alle auf die äußere Erscheinung gerichtete Sorgfalt, und ganz besonders ist ihm das Putzen der Waffen verleidet, deren Rost ihm ein sicheres Zeichen ist, daß sie nicht zum Staat getragen wurden, sondern in Kampf und Todesnot ihre guten Dienste geleistet haben. Da, wo der Wert eines Menschen nach etwas ganz anderem, als nach seinem Kleide bestimmt wird, enthält ein stutzerhaftes Äußeres geradezu eine Herausforderung und es bedarf nur einer geringen Veranlassung, um scharfe Reden zu Gehör zu bringen.
„Good day, Mesch'schurs!“ grüßte der Ankömmling, indem er seine Doppelbüchse von der Schulter nahm, um sie in die Ecke zu lehnen, was einem erfahrenen Westmann auf keinen Fall eingefallen wäre. Und sich an den Wirt wendend, welcher ihn mit halb neugierigem, halb spöttischem Blick musterte, fragte er: „Ist hier der ehrsame Master Winklay zu finden?“
„Hm, der bin ich vielleicht selber!“ meinte nachlässig der Gefragte.
„Vielleicht?“ klang es in etwas beleidigtem und daher spitzem Ton. „Was soll das heißen?“
„Das heißt, daß ich allerdings der Master Winklay bin, zuweilen aber auch nicht, je nachdem es mir beliebt.“
„So! Und wie beliebt es Euch denn jetzt?“
„Das kommt wohl nur darauf an, was Ihr von dem Master wollt, Sir!“
„Zunächst einen passablen Schluck für mich und diesen Mann und dann eine Auskunft, um die ich Euch zu fragen habe.“
„Der Schluck ist da; hier nehmt ihn hin! Und die Auskunft könnt Ihr ja auch haben, so gut ich Sie zu geben verstehe. Ich weiß, was ich einem Gentleman schuldig bin.“
„Laßt den Gentleman weg, Winklay; er wird an diesem Ort nicht sehr viel gelten!“ befahl der Fremde, indem er das Glas mit unbefriedigter Gebärde vom Mund nahm. „Meine Frage betrifft Sam Fire-gun.“
„Sam Fire-gun?“ fragte überrascht der Wirt. „Samuel Feuerbüchse? Was wollt Ihr denn mit dem?“
„Das ist wohl meine Sache, wenn's Euch beliebt! Ich hörte, daß er hier bei Euch zuweilen zu finden ist?“
„Hm, ja und nein, Sir. Was Euch beliebt, kann ja auch mir belieben. Gebt Ihr mir auf meine Frage keine Antwort, so könnt Ihr auch von mir nicht viel erwarten. Hier sitzen
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