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08 - Old Surehand II

08 - Old Surehand II

Titel: 08 - Old Surehand II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ave und fragt nicht nach dem Namen dessen, der hier vielleicht ein grauenvolles Ende nahm. Der Westen hat einen rauhen Sinn und duldet weder Zartgefühl noch Schonung; er ist den physikalischen Stürmen widerstandslos preisgegeben, kennt keine andre Herrschaft als diejenige des unerbittlichen Naturgesetzes und bietet darum auch nur Männern Raum, die ihren einzigen Halt in der eigenen knorrigen Naturwüchsigkeit suchen.
    Ein trotz aller Verträge immer von neuem aus seinen angewiesenen Wohnsitzen verdrängter, von der Natur reich begabt und dennoch dem unerläßlichen Untergang geweihter Menschenschlag liegt hier im Verzweiflungskampf mit einer Nation, welcher alle physischen und geistigen Kräfte, alle künstlichen und natürlichen Mittel zur Verfügung stehen, den todesmutigen Gegner trotz der heldenmütigen Gegenwehr gewaltsam zu erdrücken. Es ist ein jahrhundertelanges Ringen zwischen einem sterbenden Giganten und einem von Minute zu Minute sich mächtiger entwickelnden Sohne der Gesittung, der dem Feind die gewaltige immer enger um die Kehle drückt, ein Ringen, wie es die Geschichte sonst wohl auf keinem ihrer Blätter wieder aufzuweisen hat, begleitet von Heldentaten, welche dem, was von unsern klassischen Heroen berichtet wird, getrost und vollgültig an die Seite gestellt werden kann, und wer es wagt, die lang- und breitgestreckten Schlachtgefilde zu betreten, dem darf keine einzige der Waffen mangeln, mit denen die äußerlich unscheinbaren und doch bewundernswerten Kämpfer sich auf Tod und Leben bekriegen.
    Wer in Fort Gibson am Arkansas die Büchse über die Schulter legt und einige Tagesreisen weit stromaufwärts geht, gelangt an ein kleines Settlement, bestehend aus einigen einfachen Blockhütten, einem gemeinsamen Weideplatz und einem etwas abseits liegenden Haus, welches sich schon von weitem durch sein primitives Schild als Store und Boardinghaus zu erkennen gibt. Der Wirt dieses Hauses ist nicht gewohnt, große Ansprüche zu befriedigen, und erhebt also auch selbst keine in Beziehung auf diejenigen, welche bei ihm eintreten und verkehren. Niemand weiß, was er früher war und woher er kam; darum fragt er auch keinen nach Namen, Vorhaben oder Reiseziel. Man versorgt sich bei ihm mit dem Nötigen, tut einen ‚Drink‘ nach Belieben, schlägt, sticht oder schießt sich ein wenig und geht dann seines Weges. Wer viel fragt, braucht viel Zeit, und dem Amerikaner ist die Zeit kostbarer als eine Antwort, die er am besten sich selbst geben kann.
    In dem Boarraum saßen einige Männer, deren Äußeres keineswegs salonfähig zu nennen war. So unterschiedlich die Kleidungsstücke waren, welche sie trugen, sämtliche Anzüge ließen auf den ersten Blick den echten, richtigen Trapper oder Squatter erkennen, der kaum jemals davon gehört hat, was ein guter Schneider zu bedeuten hat, sondern sich seinen Bedarf ohne Wahl da und grad so nimmt, wo und wie er ihn findet.
    Wo mehrere Westmänner beisammensitzen, da ist ein guter Schluck in der Nähe und ebenso sicher eine gute Erzählung im Gange. Daß die Anwesenden grad jetzt still vor sich niederblickten, hatte jedenfalls seinen Grund darin, daß eine jener ‚dunklen und blutigen Geschichten‘, wie man sie in den Grenzländern zu hören bekommt, soeben erst zu Ende gegangen war und nun jeder in seiner Erinnerung nach einer zweiten forschte. Da wurde plötzlich derjenige von ihnen, welcher in der nächsten Nähe des kleinen Blockfensters saß, laut:
    „Auf, ihr Leute, und hinausgeschaut da hinüber nach dem Wasser!“ meinte er. „Täuschen mich meine Augen nicht, so sind dies zwei Greenbacks, zwei Grünschnabel, wie sie im Buch stehen. Seht nur, wie sie zu Pferd sitzen, so nett und so fein, grad wie vom heiligen Christ beschert! Was tun solche Leute hier in unseren guten Wäldern?“
    Alle außer einem einzigen erhoben sich, um die Ankömmlinge zu mustern; der Sprecher aber legte sich mit breitgespreizten Ellbogen wieder auf den Tisch zurück. Er hatte seine Schuldigkeit getan und brauchte sich um weiter nichts zu kümmern. Er war eine eigentümliche Figur. Die Natur schien im Sinn gehabt zu haben, mit ihm ein Seilerstück zu fabrizieren, so unendlich hatte sie ihn in die Länge gezogen; alles an ihm, das Gesicht, der Hals, die Brust, der Unterleib, Arme und Beine waren lang, unendlich lang und dabei scheinbar so schwach und dürftig, daß man befürchten mußte, den ganzen Mann beim ersten Windstoß zerrissen und in Fäden davonwirbeln zu sehen. Seine Stirn

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