08 - Old Surehand II
Pedlar (Händler) sehr viel unter den Roten gewesen und habe mich stets wohl bei ihnen befunden. Dann wurde ich dies und das; es ging mir von Jahr zu Jahr besser, und wenn ich jetzt als ein gemachter Mann hier bei euch sitze, so haben sich zwar meine Verhältnisse geändert, nicht aber meine Ansichten über die Indsmen, die weit, weit besser sind als ihr Ruf, und Winnetou ist der beste und herrlichste von ihnen. Ich möchte manchem Weißen wünschen, so zu sein wie er!
Die meisten von euch werden wissen, daß ich eine Reihe von Jahren Indianeragent gewesen bin, aber nicht einer von der Sorte, welche, um sich selbst zu bereichern, die Roten um ihr Recht prellen und um ihr Hab und Gut betrügen! Diese Art von Agenten trägt die meiste Schuld daran, daß die Indianer nie aus dem Zorn gegen die Weißen herauskommen. Diese Leute bereichern sich gewissenlos an der Armut und Nacktheit des bedauernswerten Angehörigen der roten Nation und schreien Ach und Wehe über sie, wenn sie dann endlich einmal die Geduld verlieren und mit den Waffen in der Hand Gerechtigkeit verlangen.“
„Das ist ja eine wirkliche Predigt, die Ihr uns da haltet, Sir!“ lächelte ein Nachbar von ihm.
„Wollte gerne, es wäre eine und es ständen alle Weißen der Vereinigten Staaten hier, um sie sich zu Herzen zu nehmen. Was ich euch erzählen will, habe ich selbst teilweise miterlebt; ich war dabei. Ihr werdet daraus erstens ersehen, was Winnetou für ein Mann ist, und zweitens, daß es weiße Schurken gibt, an deren Schlechtigkeit kein Roter kommt. Die Feindschaft der Indianer gegen uns ist wohl begründet; wenn aber Weiße sich an Weißen vergreifen, um sie zu verderben, so ist das eine Halunkenhaftigkeit, für welche man keine Worte finden und die den Indsmen einen Begriff von uns beibringt, der tief und schwer zu beklagen ist. Man darf sich dann nicht wundern, wenn sie uns verachten und sich für besser als die Bleichgesichter halten. Meine Geschichte wird von solchen Weißen handeln, und wenn Ihr dann noch stolz darauf seid, Weiße zu sein, und die Roten für schlechter als die Bleichgesichter haltet, so ist das nicht meine Sache, sondern die eurige, Mesch'schurs. Also ich will beginnen.“
Jene weiten Prärien Nordamerikas, welche sich westlich vom ‚Vater der Ströme‘, dem Mississippi, bis an den Fuß des Felsengebirges und von dem jenseitigen Abhang derselben wieder an die Küste des stillen Weltmeeres erstrecken, haben nicht nur in physikalischer Beziehung mancherlei Ähnlichkeiten mit den unendlichen Fernen, welche die Wogen des Ozeans erfüllen. Es bieten sich zu einem Vergleich zwischen den Weiten der Savanne und den ozeanischen Strecken Punkte dar, welche nicht in äußeren Verhältnissen liegen und von denen einer der bedeutendsten in dem Eindruck zu suchen ist, welchen die See sowohl als auch die Prärie auf denjenigen macht, der sich einmal von der heimischen Scholle losgerissen hat, um entweder auf längere Zeit die Fluten des Meeres zu pflügen oder auf dem Rücken eines guten Pferdes die abenteuervollen Hinterländer der Vereinigten Staaten zu durchstreifen.
Ein alter ‚Swalker‘, welchem Zeit seines Lebens die Segel eines stattlichen Dreimasters um den Südwester schlugen, mag von dem Binnenland nichts mehr wissen, und wird er seeuntüchtig, so baut er sich eine enge, kleine Kabine so nahe wie möglich an das Wasser und blickt mit liebevollem, sehnsüchtigem Auge hinaus auf die ewig wechselnden und nimmer ruhenden Wellen, bis die Hand des Todes ihm die müden Lider schließt.
So ist es auch mit dem, der es wagte, den Gefahren des ‚wilden Westens‘ kühn die Stirn zu bieten. Ist er auch einmal zurückgekehrt in Gegenden, über welche die Zivilisation ihren Segen und ihren Fluch ausgeschüttet hat, es zieht ihn doch immer wieder in die unbegrenzte Wildnis hinaus, wo es der Anstrengung aller körperlichen und geistigen Kräfte bedarf, um im Kampf mit den tausenderlei und stets neuen Gefahren der Savanne nicht zu unterliegen. Für ihn gibt es nur selten im Alter ein Ruheplätzchen, wie es der ‚abgetakelte‘ Seemann doch an der sichern Küste findet; ihm läßt es weder Ruhe noch Rast, er muß sich auf den Rücken seines Mustangs hängen und immer wieder in die Ferne ziehen, in welcher er einst spurlos verschwinden wird. Vielleicht findet ein Jäger nach Jahren seine gebleichten Gebeine auf ausgedorrter Ebene oder zwischen den himmelanstrebenden Felsen des Gebirges liegen; aber er reitet vorüber ohne ein Kreuz oder
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