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08 - Old Surehand II

08 - Old Surehand II

Titel: 08 - Old Surehand II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gefährliche ‚Drei‘ auszusprechen. Bis zur ‚Zwei‘ hatte Hammerdull regungslos und gleichgültig dagesessen, dann aber mit Gedankenschnelle, die ihm ein Unbekannter wohl nicht zugetraut hätte, die alte Büchse ergriffen; in demselben Moment war sie gerichtet; es blitzte auf, der Schuß krachte mit hundertfacher Stärke in dem engen Raum, und das zerschmetterte Gewehr des Fremden flog aus der Hand desselben auf die Diele nieder. Aber schon im nächsten Augenblick lag er selbst am Boden, und Dick kniete mit gezücktem Messer auf seiner Brust.
    „Nun, Greenhorn, sag ‚Drei‘, damit ich Antwort gebe!“ gebot er ihm höhnisch.
    „Zum Teufel, Master, laßt mich auf; es war ja gar nicht so ernst gemeint. Ich hätte nicht geschossen!“
    „Das kann man hernach gut sagen. Nicht geschossen? Also ein Theaterstreich mit dem alten Trapper, den sie Dick Hammerdull nennen? Lächerlich, rein lächerlich! Aber ob du geschossen hättest oder nicht, das bleibt sich gleich, mein Junge. Du hast die Büchse auf einen Westmann gerichtet und damit nach Savannenrecht die Klinge erworben. Jetzt zähle ich: Eins – – – zwei – – –“
    Der Überwältigte machte eine kraftvolle, aber vergebliche Anstrengung loszukommen. Dann bat er:
    „Stecht nicht, Master; der Colonel ist mein Oheim!“
    Der Trapper nahm das Messer zurück, doch ohne den Gegner freizugeben.
    „Der Colonel –? Euer Ohm – – –? Das sagt, wem Ihr wollt; ich aber will mich bedenken, ehe ich es glaube!“
    „Es ist so. Er würde es Euch wenig Dank wissen, wenn er hörte, was Ihr mir getan!“
    „So! Hm! Na, ob Ihr wirklich sein Neffe seid oder nicht, das bleibt sich gleich; ich hätte Euch doch bloß ein wenig gekitzelt, um Euch eine gute Lehre zu geben. Einem Greenhorn geht mein Messer nicht ans Leben, dazu ist's zu gut. Steht auf!“
    Er erhob sich und trat zu seinem Tisch zurück, auf welchen er vorhin die Büchse geworfen hatte. Sie aufnehmend, begann er, den abgeschossenen Lauf von neuem zu laden. Sein Gesicht glänzte vor Liebe und Sorgfalt, mit der er dieses Geschäft vornahm, und seine kleinen, leuchtenden Augen waren mit einem Blick auf das alte Schießeisen gerichtet, welcher deutlich bekundete, daß die Waffe ihm an das Herz gewachsen sei.
    „Ja, ein Gewehr wie dieses gibt's nicht gleich wieder!“ meinte der Wirt, der dem Vorgang in aller Seelenruhe zugeschaut hatte und sich wenig um den Rauch kümmerte, welcher das Gemach erfüllte.
    „Will es meinen, alter Brandy thinner, (Schnapsverdünner)“, meinte Hammerdull wohlgefällig. „Es ist gut und stets bei der Hand, wenn ich es brauche.“
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür geräuschlos, und ohne daß die an den Fenstern Sitzenden das Kommen irgend jemandes bemerkt hatten, trat leisen, unhörbaren Schrittes ein Mann ein, den man trotz der Trapperkleidung auf den ersten Blick als Indianer erkennen mußte.
    Sein Gewand war sauber und sichtlich gut gehalten, eine außerordentliche Seltenheit von einem Angehörigen seiner Rasse. Sowohl der Jagdrock als die Leggins waren von weichgegerbtem Büffelkalbleder, in dessen Bereitung die Indianerfrauen Meisterinnen sind, höchst sorgfältig gearbeitet und an den Nähten zierlich ausgefranst; die Mokassins waren aus Elenhaut und nicht in fester Fußform, sondern in Bindestücken gefertigt, was dieser Art von Fußbekleidung neben erhöhter Dauerhaftigkeit auch eine größere Bequemlichkeit verleiht. Die Kopfbedeckung fehlte; an ihrer Stelle war das reiche, dunkle Haar in einen Knoten geschlungen, welcher turbanartig auf dem stolz erhobenen Haupt thronte. Der Sohn der Wildnis hatte verschmäht, seine kühne Stirn zu bedecken.
    Nachdem sein dunkles, scharfes Auge mit adlerartigem Blick über die Gesellschaft geflogen war, schritt er zu dem Tisch, an welchem Dick Platz genommen hatte. Er kam grad zu dem Unrechtesten, denn dieser fuhr ihn zornig an:
    „Was willst du hier bei mir, Rothaut? Dieser Platz ist mein. Geh', such dir einen andern!“
    „Der rote Mann ist müd; sein weißer Bruder wird ihn ruhen lassen!“ antwortete der Indianer mit sanfter Stimme.
    „Müd' oder nicht, das bleibt sich gleich. Ich kann dein rotes Fell nicht leiden!“
    „Ich bin nicht schuld daran, der große Geist hat mir's gegeben.“
    „Von wem du es hast, das bleibt sich gleich; geh' fort; ich mag dich nicht!“
    Der Indianer nahm die Büchse von der Schulter, stemmte den Kolben auf den Boden, legte die gekreuzten Arme über die Mündung der Laufs

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