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08 - Old Surehand II

08 - Old Surehand II

Titel: 08 - Old Surehand II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Stute wollten nicht mit fort; Pitt Holbers' und Mr. Treskows Pferd aber waren nicht so gescheit; zwei von den Spitzbuben stiegen auf und wollten sich eben davonmachen, als Ihr kamt und sie mit Euern Kugeln herunterholtet. So ist die Sache. Was soll mit dem alten ‚King of the cowboys‘ geschehen, den man lieber ‚König der Spitzbuben‘ heißen möchte?“
    „Schafft ihn hinein in die Stube! Ich komme gleich nach!“
    Durch unsere Schüsse waren mehrere von Fenners Cowboys herbeigerufen worden, mit denen ich unsere Pferde wieder in den Schuppen brachte. Sie mußten als Wächter bei ihnen bleiben. Wir suchten die Umgebung desselben ab; die Diebe waren fort. Die zwei von ihnen aber, welche Fenner von den Pferden geschossen hatte, waren tot.
    Als ich in die Stube kam, lehnte Old Wabble an dem Säulenpfosten, in welchen seine Kugel gedrungen war; man hatte ihn da fest angebunden. Er schlug nicht etwa die Augen nieder, sondern sah mir mit offenem, frechem Blick in das Gesicht. Wie gut und nachsichtig war ich früher mit ihm gewesen! Ich hatte Achtung vor seinem hohen Alter, jetzt widerte er mich an. Man hatte über die Strafe gesprochen, die er bekommen sollte, denn eben, als ich eintrat, sagte Pitt Holbers:
    „Er ist nicht nur ein Dieb, sondern ein ganz gefährlicher Meuchelmörder; er muß aufgehängt werden!“
    „Er hat auf Old Shatterhand geschossen“, erwiderte Winnetou, „folglich wird dieser sagen, was mit ihm geschehen soll.“
    „Ja, er ist mein; ich nehme ihn für mich in Anspruch“, stimmte ich bei. „Er mag die Nacht hier am Balken hängen; morgen früh werde ich sein Urteil fällen.“
    „Fäll' es doch gleich!“ zischte mich der Meuchler an. „Gib mir eine Kugel in den Kopf, daß du als frommer Hirt dann für meine arme, verlorene Seele etwas zu wimmern und zu beten hast!“
    Ich wendete mich, ohne ihm zu antworten, von ihm ab. Fenner entfernte sich, um seine Cowboys auf die Suche nach den entflohenen Dieben zu schicken. Sie ritten die ganze Nacht durch die Umgegend, konnten aber niemand finden. Es läßt sich denken, daß wir nur sehr wenig schliefen; es war kaum Tag, so hatten wir die Lager schon verlassen. Old Wabble zeigte sich ganz munter; die Nacht am Balken schien ihm ganz gut bekommen zu sein. Als wir frühstückten, sah er uns unbefangen zu, als ob gegen ihn gar nichts vorliege und er der beste unserer Freunde sei. Das empörte Fenner so, daß er zornig ausrief:
    „So eine Frechheit ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen! Ich habe diesen Menschen stets, wenn er zu mir kam, mit Achtung behandelt, schon seines Alters wegen; nun aber bin auch ich dafür, daß er nach den Gesetzen der Prärie behandelt wird. Pferdediebe und Mörder werden gehängt. Mag er in das Grab stürzen, in dem er ja doch schon längst mit einem Fuß steht!“
    Da knurrte ihn der Alte höhnisch an:
    „Bekümmert Euch doch ja nicht um mein Grab! Es ist doch nicht für Euch! Ob mein Kadaver noch einige Jahre leben bleibt, oder ob er im Grab verfault, das macht gar keinen Unterschied; ich pfeife darauf!“
    Wir waren alle empört über diese Worte.
    „Welch ein Mensch!“ rief Treskow aus. „Er verdient den Strick und weiter nichts. Sprecht ihm sein Urteil, Mr. Shatterhand! Wir werden es unbedenklich vollziehen.“
    „Ja, ich werde es sprechen; zu vollziehen bracht ihr es nicht“, antwortete ich. „Ob lebendig oder tot, das ist ihm gleich; ich werde ihm aber Gelegenheit geben zu erfahren, daß jede Sekunde des Lebens einen Wert hat, an den alle Reichtümer der Erde nicht reichen. Er soll um eine einzige Minute der Verlängerung seines Lebens zu Gott wimmern; wenn er sich nicht bekehrt, soll seine Seele zetern aus Angst vor der göttlichen Gerechtigkeit, die er verlacht, und wenn die Faust des Todes seinen Körper krümmt, soll er nach der Vergebung seiner Sünden heulen!“
    Ich band ihn vom Balken los. Er blieb stehen, dehnte und reckte seine eingeschlafenen Arme und sah mich fragend an.
    „Ihr könnt gehen“, sagte ich.
    „Ah! Ich bin frei?“
    „Ja.“
    Da schlug er ein höhnisches Gelächter auf und rief:
    „Ganz wie es in der Bibel steht: Glühende Kohlen auf das Haupt des Feindes sammeln. Ihr seid ein Musterchrist, Mr. Shatterhand! Aber das fruchtet bei mir nichts, denn solche Kohlen brennen mich nicht. Es mag zwar außerordentlich rührend sein, den großmütigen Hirten spielen zu können, der seine bösen Lämmlein laufen läßt, mich aber rührt es nicht. Lebt wohl, Mesch'schurs!

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