08 - Old Surehand II
daheim. Ich interessierte mich besonders für die rote Rasse und befand mich den größten Teil des Jahres auf der Wanderung von einem Volk zum andern. Da lernte ich die Indianer kennen und – schätzen; sie kannten und achteten auch mich, denn sie wußten, daß ich nicht als Feind, sondern als Freund zu ihnen kam. Ich wurde ihr Lehrer und Berater in vielen Dingen, und sie unterwiesen mich dafür im Gebrauch der Waffen und in allen Fertigkeiten, die zum Krieg und der Jagd gehörten, obwohl ich ein Mann des Friedens war; aber jagen mußte ich doch, um mich zu nähren, und zuweilen kam ich auch in die Lage, mich gegen einen Feind wehren zu müssen, der aber meist kein Indianer, sondern ein Weißer war. Ihr habt vorhin behauptet, daß die Weißen schlimmer seien als die Roten, und ich gebe Euch da vollständig recht. Ich könnte Euch manches, gar manches erzählen, was ein sprechender Beweis für diese Behauptung ist.“
„So tut es doch, Sir! Gebt uns wenigstens eine Eurer Erfahrungen zum besten!“
„Hm! Das könnte ich wohl tun, wenn die anderen Gentlemen es auch wünschen.“
„Natürlich wünschen sie es! Wir sind heut einmal beim Erzählen, und das ist höchst interessant. Nicht wahr, Mutter Thick?“
Die Wirtin, welche eben wieder einige volle Gläser gebracht hatte, antwortete, als diese Frage an sie gerichtet wurde:
„Das will ich meinen, Sir! Seht Euch doch einmal im Zimmer um! Alles lauscht nach Eurem Tisch, und es ist noch nie bei mir so still und friedlich zugegangen wie jetzt. Ich meine auch, daß eine solche Geschichte viel besser und genteeler ist, als wenn die Gentlemen sich miteinander zanken und balgen und mir dabei die Tische und Stühle zerschlagen und die Flaschen und Gläser zerbrechen. Also nur zu, Sir; laßt uns Eure Erzählung hören!“
„Well!“ nickte der Ethnologe. „Wenn es Euch recht ist, so soll eine vom Stapel laufen, und ich will versuchen, es auch so hübsch und fließend zu machen wie die anderen Masters vor mir. Also, es mag beginnen.“
Es war ein wunderbar schöner Junimorgen, eine wirkliche Seltenheit in jener weit entlegenen Ecke, welche der nordwestliche Winkel des Indianerterritoriums mit den gradlinigen Grenzen von Kansas, Colorado und Neu-Mexiko bildet. Es hatte während der Nacht ziemlich stark getaut; nun funkelten an Halmen und Zweigen brillantene Tropfen, und der eigenartige Duft des Büffelgrases und der kurzlockigen Grama erhielt eine so erquickende Frische, daß die Lunge das balsamische Cumarin in langen, tiefen Zügen einatmete.
Ein solcher Morgen pflegt auf die Stimmung der Menschen von wohltätiger Wirkung zu sein, und doch ritt ich ziemlich verdrossen in den prachtvollen Tag hinein. Der Grund war ein sehr einfacher: mein Pferd ging lahm. Es war vorgestern beim Galoppieren an einer Wurzel hängengeblieben. Und in der Prärie ein lahmes Pferd zu reiten, das ist nicht nur ärgerlich, sondern es kann unter Umständen sogar von den verhängnisvollsten Folgen sein. Bei den dort täglich drohenden Gefahren hängen Leben und Sicherheit des Jägers nur zu oft von der Brauchbarkeit seines Tieres ab.
Ich hatte mit einigen Coloradomännern droben in der Nähe von Spanish Peaks gejagt und war dann über die Willow-Springs hierher nach dem Nescutunga-Creek gekommen, um an dessen rechtem Ufer mit Will Salters zusammenzutreffen, mit welchem ich vor Monaten in Nebraska Biber gefangen und dann beim Scheiden das gegenwärtige Stelldichein verabredet hatte. Wir wollten das Indianerterritorium bis an die südöstliche Grenze durchreiten und dann gerade nach Westen in den Llano estacado gehen, um diese berüchtigte Wüste kennenzulernen.
Dazu war ein gutes Pferd unbedingt nötig, und das meinige lahmte. Es hatte mich treu durch viele Gefahren getragen; ich wollte es gegen kein anderes vertauschen, und so war ich gezwungen, ihm Ruhe zu gönnen, bis der Fuß sich wieder eingerichtet haben würde. Die dadurch entstehende Zeitversäumnis war höchst unangenehm, und so erschien es nicht ganz ungerechtfertigt, daß ich mich nicht bei guter Laune befand.
Während mein Mustang langsam über die Prärie hinkte, sah ich mich nach Anzeichen um, aus denen ich die Nähe des Flusses zu erraten vermochte. Da, wo ich ritt, gab es nur vereinzeltes Buschwerk. Nach Norden aber zog sich eine dunkle Linie hin, welche mich auf geschlossenen Baum- und Strauchwuchs schließen ließ. Ich lenkte also nach dieser Richtung ab, denn wo sich mehr Vegetation findet, muß auch mehr Wasser
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