08 - Old Surehand II
Stiefsohn.“
„Ist dein Vater daheim?“
„Seht Euch um! Da ist er.“
Er deutete nach der engen, niedrigen Tür, aus welcher soeben ein Mann trat, welcher sich bücken mußte, um eben nicht anzustoßen. Er war sehr lang, sehr hager und schmalbrüstig, und zwischen den wenigen Haaren seines dünnen Vollbartes blickte die Gesichtshaut wie gegerbtes Leder hervor. Seine Yankeephysiognomie verfinsterte sich, als er mich sah. Er hatte ein altes Gewehr und eine Hacke in den Händen und legte beides nicht weg, als er langsam auf mich zutrat. Er richtete den stechenden Blick feindselig auf mich und erkundigte sich mit heiser klingender Stimme:
„Was wollt Ihr hier?“
„Zunächst will ich Euch fragen, Master Rollins, ob nicht vielleicht gestern oder vorgestern ein Mann bei Euch vorgesprochen hat, der sich Salters nannte und irgendeinen Auftrag zurückgelassen hat.“
Da antwortete der Sohn schnell:
„Das war gestern früh, Sir. Dieser Salters war –“
Er konnte nicht weitersprechen. Sein Vater stieß ihm den Gewehrkolben in die Seite, daß der arme Junge wimmernd gegen die Fenz taumelte, und rief zornig:
„Willst du schweigen, Kröte! Wir haben keine Lust, einen jeden Landstreicher zu bedienen!“ Und zu mir gewendet fuhr er fort: „Macht Euch von dannen, Mann! Ich wohne weder für Euch noch für Euren Salters hier!“
Das war einfach grob. Ich hatte meine eigne Hinterwaldsmanier, solche Leute zu behandeln. Ich stieg gemütlich vom Pferd, band es an die Fenz und sagte:
„Diesesmal werdet Ihr doch eine Ausnahme machen müssen, Master Rollins. Mein Pferd geht lahm, und ich werde hier bei Euch bleiben, bis es geheilt ist.“
Er trat einen Schritt zurück, maß mich mit zornigen Augen vom Kopf bis zu den Füßen herab und schrie:
„Seid Ihr toll? Mein Haus ist kein Boardinghaus, und wer sich hier breit machen will, dem brenne ich sehr einfach eine Ladung Schrot auf den Pelz. Zounds! Da ist ja auch dieser miserable Indsman wieder! Warte, Bursche, dich will ich forträuchern!“
Ich folgte schnell mit meinem Blick dem seinigen, welcher bei den letzten Worten auf ein nicht sehr entferntes Buschwerk gerichtet war. Von dorther kam ein junger Indianer herbeigeschritten. Rollins erhob das Gewehr und legte auf ihn an. Er drückte gerade in dem selben Augenblick ab, in welchem ich ihm den Lauf zur Seite schlug. Der Schuß krachte, ging aber fehl.
„Hund! Du vergreifst dich an mir?“ brüllte mich der Yankee an. „Da nimm das dafür!“
Er drehte schnell das Gewehr um und holte zum Kolbenhieb aus. Die Hacke hatte er vorher, um schießen zu können, weggelegt. Ich stieß ihm die Faust unter den erhobenen Arm und schleuderte ihn so kräftig gegen die Fenz, daß sie unter ihm zusammenbrach. Die Büchse entfiel ihm und ich griff sie auf, ehe er sich wieder erhoben hatte. Er riß im Aufstehen das Messer aus der Scheide und gurgelte mit vor Zorn erstickter Stimme:
„Mir das! Auf meinem Grund und Boden! Das kostet Blut und Leben!“
Ich hatte ebenso schnell meinen Revolver in der Hand, hielt ihm denselben entgegen und antwortete:
„Ihr meint wohl Euer Blut und Leben? Steckt sofort das Messer ein! Meine Kugel ist schneller als Eure Klinge, Mann!“
Er ließ den bereits erhobenen Arm sinken und hielt die Augen nicht gegen mich, sondern nach der anderen Ecke des Blockhauses gerichtet. Dort hielt ein Reiter, welcher unbemerkt von uns herbeigekommen war und mir lachend zurief:
„Schon bei der Arbeit, alter Bursche? Recht so! Schlag den Kerl nieder; er hat es verdient. Aber gib ihm keine Kugel, denn einen Schuß Pulver ist er nicht wert.“
Dieser Reiter war Will Salters. Er kam vollends herbei, gab mir die Hand und fuhr fort:
„Welcome, Kamerad! Wenn es nach diesem Scurvy fellow gegangen wäre, hättest du mich nicht wiedergefunden. Ich schätze, er hat dich grad so empfangen wie gestern mich. Dafür erhielt er einige Nasenstüber, für welche er mir eine Kugel nachschickte, die aber höflicher war als er; sie wich mir weit zur Seite aus. Ich wollte dich hier bei ihm erwarten, durfte aber nicht, sagte jedoch seinem Sohn, daß ich heut' zurückkehren würde, um zu sehen, ob der Mann bei besserer Laune sei. Wenn es dir recht ist, geben wir ihm eine Lektion im Umgang mit unsersgleichen. Ich will mich einstweilen seiner Persönlichkeit versichern!“
Er stieg ab. Da raffte Rollins die Hacke vom Boden auf und floh in weiten Sprüngen davon. Wir blickten ihm verwundert nach. Sein Verhalten war befremdend. Erst
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