08 - Old Surehand II
was geschehen war und was für eine Gefahr ihrem Lager gedroht hatte. Sie nahmen sich vor, gleich mit Tagesanbruch nach dem Gutter zu gehen, die Gefallenen noch einmal genauer zu untersuchen und dann die ganze Umgegend von den etwa da noch umherstreifenden Roten zu befreien. Die ganze Gesellschaft des ‚Kapitäns‘ hatte ein grausiges Ende gefunden und mit ihr er selbst durch das Messer des Steuermannes. Es blieb Treskow nichts andres übrig, als nach Van Buren mit dem Bescheid zurückzukehren, daß er den so lange Gesuchten zwar gefunden habe, aber ihn nicht mitbringen könne, weil er ‚ausgelöscht‘ worden sei.
Es versteht sich ganz von selbst, daß Wallerstein seinem toten Doppelgänger gleich nach dem Kampf alles abgenommen hatte, was ihm von demselben gestohlen worden war. Was weiter geschah, gehört nicht hierher. Meine Geschichte ist zu Ende. – – –
ZWEITES KAPITEL
Der Königsschatz
Der einstige Indianeragent lehnte sich, von der Erzählung ermüdet, in seinen Stuhl zurück, nahm die beifälligen Äußerungen der Zuhörer ruhig hin und gab ihnen auf die Fragen, die sie noch hatten, um sich dieses und jenes ergänzen zu lassen, die erwünschten Auskünfte. Als diese Erkundigungen aber gar kein Ende nehmen wollten, bat er:
„Laßt mich nun in Ruhe, Mesch'schurs! Ich habe die Geschichte nicht erzählt, um mir einen ganzen Korb voll Fragen an den Kopf werfen zu lassen, sondern um zu beweisen, daß die Weißen oft schlechter sind als die Roten und daß ich Winnetou, den Häuptling der Apachen, kenne. Wenn ihr aufmerksam zugehört habt, so müßt ihr sagen, daß der Bahnüberfall und der von dem ‚Kapitän‘ und seinen Leuten geplante Schurkenstreich fast nur durch seinen Scharfsinn und seine Tapferkeit so glücklich abgeschlagen wurden. Er ist eben ein Mann, mit dem sich kein anderer Indianer und wohl selten ein Weißer zu vergleichen vermag. Seine Gestalt ragt über alle anderen hoch empor, und wenn er einmal untergegangen sein wird, wie seine ganze, beklagenswerte Nation dem Untergang geweiht ist, sein Name wird nicht untergehen und vergessen werden, sondern noch im Munde unserer Kinder, unserer Enkel und Urenkel weiterleben.“
„Well, da habt ihr recht, Sir“, stimmte ein alter Herr bei, der an einem Nebentisch saß und der Erzählung mit größter Aufmerksamkeit gelauscht hatte; „doch wenn Ihr es erlaubt, daß ein Fremder eine Ansicht äußern darf, mit der er Euch aber nicht beleidigen will, so möchte ich eine Bemerkung machen.“
„Nach der Weise, wie Ihr Euern Wunsch vorbringt, kann ich nicht annehmen, daß es Eure Absicht ist, mich zu beleidigen. Also, Eure Bemerkung?“
„Ihr sagtet, die Apachen seien durch ihre Feigheit und Hinterlist bekannt gewesen, hätten sich durch sie den Schimpfnamen ‚Pimo‘ zugezogen und wären nur seit er ihr Häuptling ist geschickte Jäger und tapfere, ja verwegene Krieger geworden.“
„Das habe ich allerdings gesagt. Seid Ihr nicht damit einverstanden?“
„Nein.“
„Warum?“
„Weil ich sie anders kenne, und weil ich sie schon gekannt habe, als Winnetou noch ein Kind war. Ja, es gibt einige Stämme unter ihnen, denen die Natur ihrer Wohnsitze nichts, gar nichts zu bieten vermag und die darum nicht bloß körperlich, sondern auch geistig heruntergekommen sind. Daran sind aber die Weißen schuld, die sie von ihren einstigen, besseren Jagd- und Weidegründen verdrängt haben und nun glauben, sie verachten zu dürfen. Von anderen Stämmen aber, und besonders von den Mescaleros, darf man das ja nicht sagen. Die Mescaleros besonders haben stets, und seit man sie kennt, die Eigenschaften gepflegt, welche bei Winnetou so voll und ganz zur Geltung kommen.“
„Kennt Ihr diesen Stamm, Sir?“
„Ihn ganz besonders; ich kannte ihn, wie bereits gesagt, als Winnetou noch ein Kind war. Ich habe nie, weder unter den Roten noch unter den Weißen, einen so wahren, edlen, treuen und aufopferungsfähigen Freund besessen, wie Intschu tschuna war.“
„Intschu tschuna? War das nicht der Vater Winnetous?“
„Ja. Auch dieser edle Indsman wurde von Weißen ermordet, er und Nscho-tschi, seine Tochter, die Schwester Winnetous, diese schönste, beste und seelenreinste Tschargooscha (Mädchen) der Apachen!“
„Seid Ihr auch Westmann gewesen?“
„Was man Westmann nennt, eigentlich nicht. Ich bin, was man einen Gelehrten nennt, ohne mich aber für sehr gelehrt zu halten. Mein Lieblingsfach war das ethnologische, und meine Studien litten mich nicht
Weitere Kostenlose Bücher