08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
aber nicht viel. Bist du sicher, daß sie dir weiter nichts erzählt hat?«
»Nur, daß sie wüßte, daß dieselbe Person, die Canair getötet hatte, auch sie umbringen würde, bevor die Seereise beendet wäre.«
»Aus Eifersucht?«
»Ja. Sie erklärte mir, sie werde sich den ganzen Tag in der Kajüte einschließen und vorgeben, sie wäre seekrank.«
»Dann kam ich an Bord, und Wenbrit meinte, ich sollte mit in ihre Kajüte ziehen«, sagte Fidelma.
»Ja – sie wehrte sich dagegen, aber auch als du woanders untergebracht wurdest, fühlte sie sich noch bedroht. Da faßte sie den Plan, sich zu verstecken und die blutbefleckte Kutte in ihrer Kajüte zu hinterlassen. Die Leute sollten denken, der Mord sei schon verübt worden, und deshalb nicht mehr nach ihr suchen.«
»Wollte sie vorgeben, vom Sturm über Bord gerissen worden zu sein?«
»Nein. Wir wußten ja nicht, daß ein Sturm über uns hereinbrechen würde. Die blutige Kutte sollte den Anschein erwecken, als sei sie erstochen worden. Die Leute sollten annehmen, sie sei in der Nacht umgebracht und über Bord geworfen worden. Der Sturm machte es nur schwieriger. Die Leute dachten, sie sei nachts über Bord gerissen worden. Jetzt ärgerten wir uns, daß wir die Kutte zurückgelassen hatten, weil dadurch alles komplizierter wurde.«
»Allerdings; hättet ihr die Kutte nicht in der Kajüte gelassen, wären wir davon ausgegangen, daß Muirgel das Opfer eines Unfalls geworden wäre.« Fidelma lächelte düster. »Und du hast wahrscheinlich das Blut für die Kutte geliefert.«
Bruder Guss faßte automatisch mit den rechten Hand den linken Arm, dann zuckte er die Achseln.
»Ich habe mir in den Arm geschnitten, um Blut auf die Kutte zu schmieren«, gab er zu. »Ich wußte nicht, daß du die Kutte schon gesehen hattest, und wunderte mich, weshalb du dich so für meinen verletzten Arm interessiertest. Ich mußte etwas erfinden.«
»Das ließ mich jedenfalls vermuten, daß du an ihrem vorgetäuschten Tod beteiligt warst. Wo hatte sie sich versteckt? Der Steuermann hat das Schiff abgesucht und keine Spur von ihr gefunden.«
»Ganz einfach, sie lag unter meiner Koje. Bruder Tola schläft fest, den würden nicht einmal die Posaunen des Jüngsten Gerichts aufwecken. Aus natürlichen Gründen mußte sie ab und zu mal hinausgehen, aber das tat sie in der Nacht oder kurz vor Tagesanbruch, bevor jemand anders auf war. Es war ganz problemlos. Wer dachte schon daran, unter meiner Koje nachzusehen?«
»Und heute morgen?«
»Sie stand früh auf und meinte, sie wäre sicher, wenn sie nun in ihre eigene Kajüte zurückginge. Da sie jetzt offiziell tot wäre, erklärte sie mir, würde niemand mehr nach ihr suchen. Nach dem Frühstück sollte ich zu ihr kommen.«
»Was meinst du, was dann geschah?«
»Sie wurde von derselben Person, die Schwester Canair getötet hatte, gesehen und umgebracht.«
»Nun gut. Du hast angedeutet, du wüßtest, wer sie umgebracht hat, oder besser, du hättest jemanden im Verdacht. Meinst du damit dieselbe Person, der du bei unserem Gespräch gestern die Schuld gegeben hast?«
»Crella? Ja, ich glaube, sie war es, die in der Nacht vor Muirgels Tür stand und vor sich hin sprach. Crella hat uns nachspioniert. Sie war eifersüchtig auf Canair, und sie war eifersüchtig auf Muirgel, obwohl sie so tat, als wäre sie Muirgels beste Freundin.«
»Aber du hast doch gesagt, daß Muirgel den Namen der Person, die sie im Verdacht hatte, nicht preisgab? Sie hat dir den Namen der Person, die sie mit Canairs Kreuz gesehen hat, nicht genannt? Ist es lediglich deine Vermutung, daß sie Schwester Crella gemeint hat?«
»Ich hab dir doch gesagt, ich glaube …«
»Ich brauche Tatsachen«, unterbrach ihn Fidelma scharf, »nicht deine Vermutungen. Hat Muirgel gesagt, vor wem sie sich fürchtete?«
Der junge Mann schüttelte den Kopf.
»Nein, das hat sie nicht«, gab er zu.
Fidelma rieb sich nachdenklich das Kinn.
»Wir können nicht auf einen Verdacht hin vorgehen, Guss. Wenn du mir keine handfesten Beweise vorlegen kannst, dann …« Sie ließ den Satz unvollendet.
»Dann läßt du Crella entwischen?« hielt ihr Bruder Guss zornig vor.
»Mir geht es darum, die Wahrheit herauszubekommen.«
Der junge Mann starrte sie einen Moment herausfordernd an, dann wandelte sich seine Miene in ein Bild des Schmerzes.
»Ich habe sie geliebt! Ich hätte alles für sie getan. Jetzt fürchte ich um mein eigenes Leben, denn Crella wird nun wissen, daß ich Muirgels Geliebter
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