08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
war und sie versteckt hatte. Wie weit wird sie in ihrer Eifersucht noch gehen?«
Fidelma schaute den jungen Mann mitleidig an.
»Wir werden aufpassen, Bruder Guss. In der Zwischenzeit kannst du in dem Gedanken Trost finden, daß du Muirgel geliebt hast, und wenn sie, wie du sagst, dich auch geliebt hat, dann warst du doppelt gesegnet. Denk an das Hohelied Salomos, denn daraus ist der Vers, den Muirgel zitiert hat. Der nächste Vers lautet:
›Daß auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen
Noch die Ströme sie ertränken.‹«
Bruder Guss brachte es nicht über sich, zu den Gefährten zurückzukehren, sondern ging in seine eigene Kajüte um dort seinem Kummer nachzuhängen. Fidelma traf Murchad vor der Tür von Muirgels Kajüte, wo er mit dem Matrosen Drogan zusammenstand.
»Halte hier Wache, Drogan, und laß niemand hinein ohne meine oder Murchads Erlaubnis«, wies sie ihn an. Dann fragte sie den Kapitän: »Sind noch alle beim Frühstück?«
Er nickte.
»Was wirst du ihnen sagen?« erkundigte er sich.
»Ich werde ihnen die Wahrheit sagen. Der Mörder kennt die Wahrheit, warum also sollen die anderen sie nicht auch kennen? Je eher alles aufgedeckt ist, desto eher macht der Mörder vielleicht einen Fehler.«
Murchad folgte Fidelma zum Messedeck, wo Wenbrit gerade die Reste der Frühstücksmahlzeit abräumte. Die Pilger saßen schweigend da. Bruder Tola war wieder unter ihnen, und obgleich er sich geweigert hatte, ihnen zu sagen, was geschehen war, merkten doch alle, daß etwas Schlimmes passiert sein mußte. Als Fidelma eintrat und sich ans Kopfende des Tisches stellte, versuchte nur Cian, sie zu begrüßen. Sie reagierte nicht darauf. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, und jeder bemühte sich zu erraten, um was es ging.
Selbst Wenbrit spürte das und blieb stehen, die gebrauchten Teller noch in den Händen.
»Wir haben die Leiche von Schwester Muirgel gefunden«, verkündete Fidelma.
Schwester Crella erhob sich halb und sank dann mit einem schmerzlichen Stöhnen zurück. Schwester Gormán kicherte vor Aufregung.
Bruder Tola, der bisher hatte Schweigen bewahren müssen, stellte die erste Frage.
»Heißt das, daß sie die ganze Zeit an Bord war? Daß sie nicht über Bord gefallen war?«
»Ja.«
»Das verstehe ich nicht. Wie konnte sie denn ertrinken, wenn sie nicht über Bord gefallen war?« wollte Schwester Ainder wissen.
Fidelma sah sie mit einem kühlen Lächeln an.
»Das ist ganz einfach: Sie ist nicht ertrunken. Man hat ihr innerhalb der letzten Stunde die Kehle durchgeschnitten.«
Schwester Crellas Stöhnen steigerte sich zu einem schrillen Schreien.
Fidelma sah sich rasch am Tisch um. Schwester Crella war anscheinend die einzige, die sichtlich erschüttert war, obgleich alle eine gewisse Bewegung zeigten.
»Bist du sicher?« Diese Frage kam von Cian.
»Sicher worin?« fragte sie zurück.
Cian wurde verlegen unter ihrem durchdringenden Blick.
»Sicher, daß es Schwester Muirgel ist, von der wir reden«, erklärte er lahm. »Erst heißt es, sie ist tot, dann wieder ist sie lebendig und jetzt wieder tot. Was ist sie denn nun wirklich?«
Fidelma schaute Bruder Tola an.
»Es ist Schwester Muirgel«, bestätigte er ruhig. »Ich habe die Leiche erkannt, ebenso Bruder Guss …« Er blickte sich um und merkte erst jetzt, daß Guss nicht zurückgekommen war.
Fidelma erriet, wonach er fragen wollte.
»Bruder Guss hat sich in seiner Kajüte hingelegt«, erklärte sie allen. »Er war auch sehr erschüttert.«
Am Tisch gab es keinen Laut außer dem Schluchzen Schwester Crellas.
»Schwester Muirgel wurde im Laufe der letzten Stunde ermordet«, fuhr Fidelma fort. »Könnt ihr alle darüber Rechenschaft geben, wo ihr in dieser Zeit wart?«
»Was?« Schwester Gormán war völlig aus dem Häuschen.
»Behauptest du, es war einer von uns?«
Fidelma sah sie alle der Reihe nach an.
»Jedenfalls war es keiner von der Mannschaft!« Sie lächelte dünn. »Schwester Muirgel kannte ihren Mörder. Sie hatte ihr Verschwinden vorgetäuscht, um ihrem Mörder zu entgehen . Sie versteckte sich am Tage und kam nachts oder im Morgengrauen heraus, um zu essen und sich Bewegung zu verschaffen.« Da fiel Fidelma etwas ein. »An dem Morgen nach der Nacht, in der sie über Bord gegangen sein sollte, als dichter Nebel das Schiff einhüllte, traf ich sie an Deck und erkannte sie nicht. Wir können davon ausgehen, Wenbrit, daß sie die Lebensmittel verzehrt hat, die dir fehlen.«
Der Junge schaute
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