08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
sah keine Waffe, aber ich war auch zu erschüttert, um danach zu suchen. Wir besprachen lange, was wir tun sollten. Es war Muirgels Idee, daß wir einfach die Herberge verließen, zur Abtei zurückkehrten und so taten, als wären wir die ganze Nacht dort geblieben.«
»Aber der Herbergswirt konnte bezeugen, daß ihr dort wart.«
»Daran dachten wir nicht.«
»Warum habt ihr nicht Alarm geschlagen? Vielleicht hätte man den Mörder noch fassen können.«
»Damit hätten wir verraten, daß wir im Nebenzimmer waren. Der Mörder hätte von unserer Anwesenheit erfahren, und wir hätten auf die Reise verzichten müssen. Es hätte alle möglichen Schwierigkeiten gegeben.«
Er schaute beschämt drein.
»Jetzt klingt es albern und selbstsüchtig, das gebe ich zu, aber damals erschien es uns nicht so, jedenfalls nicht, als wir im Zimmer neben dieser schrecklichen Leiche saßen. Du wirst uns sicher verurteilen. Aber es ist leicht, logisch zu denken, wenn Zeit vergangen ist und man Abstand vom Geschehenen hat.«
»Urteilen soll man erst, wenn alle Vorgänge geklärt sind. Sprich weiter.«
»Wir waren noch vor Tagesanbruch zurück in der Abtei.«
»Habt ihr nicht befürchtet, der Herbergswirt würde Alarm schlagen und ihr könntet wegen eurer Flucht in Mordverdacht geraten?«
»Wir hatten Geld für unser Zimmer hinterlassen. Die Tür zu Canairs Zimmer hatten wir geschlossen und hofften, daß die Leiche erst später entdeckt würde. Wir glaubten, daß alle noch schliefen, als wir aufbrachen, doch wir merkten, daß der Herbergswirt bei Fackellicht seinen Karren belud. Er sah uns nicht. Wir eilten zurück zur Abtei und nahmen unsere Plätze im Speisesaal ein, und als die anderen Mitglieder unserer Gruppe erschienen, kamen sie nicht auf die Idee, daß wir nicht die ganze Nacht dort verbracht hätten.«
Fidelma rieb sich die Nase und überlegte. Die Geschichte klang so seltsam, daß sie nicht an ihrer Wahrheit zweifelte.
»Alle anderen aus eurer Gruppe waren in der Abtei?«
»Ja.«
»Keiner hatte den Verdacht, daß ihr nicht die ganze Nacht dort geblieben wärt?«
Bruder Guss schüttelte den Kopf, fügte aber hinzu: »Ich glaube, Crella hatte Verdacht geschöpft. Sie warf uns böse Blicke zu.«
»Canair erschien also nicht am Kai, ihr beide habt keinem etwas von eurer Geschichte erzählt, und dann gingt ihr alle an Bord.«
Bruder Guss bejahte das mit einer Geste.
»Ich dachte, alles wäre in Ordnung. Muirgel hatte die Führung übernommen und die Kajüten zugeteilt, wie ich schon sagte. Sie nahm eine für sich allein in der Hoffnung, wir könnten später dort zusammenkommen. Doch sie rief mich noch vor dem Auslaufen zu sich. Sie war bleich und zitterte, war fast außer sich vor Furcht.«
»Hat sie dir erklärt, weshalb?«
»Sie sagte, sie wüßte, daß Canairs Mörder an Bord sei.« Er wies auf das Kreuz, das Fidelma noch in der Hand hielt. »Sie hatte jemanden gesehen, der dieses Kreuz trug. Es war Canairs Kreuz, das sie immer bei sich hatte. Sie hatte Muirgel einmal erzählt, es sei ein Geschenk von ihrer Mutter. Muirgel schwor, Canair habe es getragen, als sie uns verließ, um ihre Freunde zu besuchen. Es konnte ihr nur von der Person abgenommen worden sein, die sie tötete.«
»Aber das allein konnte doch Schwester Muirgel nicht solche Angst einjagen. Sie hatte offensichtlich die Person mit dem Kruzifix erkannt. Sie hätte zum Kapitän gehen und ihm alles berichten können.«
»Nein! Ich sagte dir schon – sie fürchtete sich sehr. Sie meinte, sie wüßte, weshalb Canair umgebracht worden sei, und sie wäre das nächste Opfer.«
»Hast du eine weitere Erklärung von ihr verlangt?«
»Ich hab’s versucht. Als ich sie fragte, woher sie das wüßte, zitierte sie einen Vers aus der Bibel.«
»Welchen?« fragte Fidelma rasch. »Kannst du dich daran erinnern?«
»Die Worte lauteten etwa so:
›Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz
Und wie ein Siegel auf deinen Arm.
Denn Liebe ist stark wie der Tod,
Und Eifersucht ist fest wie die Hölle.
Ihre Glut ist feurig
Und eine Flamme des Herrn.‹«
Fidelma blieb nachdenklich.
»Hat sie dir erklärt, was sie damit meinte?«
Bruder Guss errötete.
»Muirgel hatte … hatte andere Männer vor mir gekannt, das leugne ich nicht. Sie gestand mir, daß sie und Canair einmal in denselben Mann verliebt waren. Mehr wollte sie nicht sagen.«
»In denselben Mann verliebt? ›Eifersucht fest wie die Hölle‹?« Fidelma seufzte. »Das ergibt ein wenig Sinn,
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