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war sie mit ihren Gedanken woanders. Während er den Schreck seines Lebens erlebte, als ein Mann mit grellgrünen Haaren und lilafarbenen Augen (lila?) mit langen Schritten aus den Wellen kam, sah Ree nur resigniert aus.
„Ich grüße dich, Reanesta", sagte er in tiefem Bariton, nackt, wie Gott ihn geschaffen hatte. „Du hast mich gerufen? Ich bin Jertan."
„Ja." Statt sich die Hände zu schütteln, packten sie sich gegenseitig bei den Ellbogen. „Danke, dass du gekommen bist. Das ist mein .. mein Freund Con."
„Hallo, Con." Jertan betrachtete ihn neugierig und, obwohl 136
er gute acht Zentimeter größer war und mindestens fünfzehn Kilo mehr Muskeln hatte, sogar ein wenig argwöhnisch. Con rief sich in Erinnerung, dass sich das Unterseevolk (so hatte Ree sie genannt) erst seit kurzem normalen Menschen zeigte. „Bist du der Zweibeiner Conwin Edmund Conlinson?"
Con zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Ja, der bin ich." Er streckte die Hand aus, und Jertan schüttelte sie vorsichtig. Erleichtert, dass keiner seiner Finger gebrochen war, zog Con die Hand zurück. „Woher weißt du das?"
„Na, weil viele andere Zweibeiner nach dir suchen! Sie machen sich Sorgen um dich. Aber ich sehe", fügte er mit einem verschmitzten Blick auf Ree hinzu,
„dass es dir anscheinend bestens geht."
„Pass auf, was du sagst", sagte er sanft.
Jertan grinste und ließ dabei die gleichen beunruhigend scharfen Zähne wie Ree aufblitzen. „Das werde ich. Ich werde aufs Festland zurückkehren und ihnen die Koordinaten dieser Insel geben."
„Das ist. . danke."
„Unsere Völker müssen lernen, miteinander zu leben", sagte Jertan ruhig.
„Reanesta, kann ich dir noch weiter behilflich sein?"
„Nein, Jertan", sagte sie mit unbewegter Miene. „Es war sehr freundlich von dir zu kommen."
„Jemandem aus meinem Volk zu helfen ist keine Freundlichkeit. Ich gehe jetzt", sagte er, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging zurück in die Brandung.
„Ihr haltet wohl wirklich nicht viel von langen Verabschiedungen, was?", fragte er und beobachtete, wie der Wassermann in den Wellen verschwand.
Ree zuckte die Achseln.
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„Na also", sagte er mit gespielter Begeisterung, „in ein paar Tagen bist du mich los. Dann fällt dir doch bestimmt ein Stein vom Herzen."
„Ja."
„Bald bist du wieder frei und ich zurück im Fernsehen."
„Ja."
Aber warum verspürte er dann Übelkeit bei dem Gedanken, und warum zog sie so ein Gesicht?
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Das Boot zu seiner Rettung kam drei Tage später. Als Reanesta es betrachtete, fragte sie sich, ob sie sich wohl übergeben müsste. Konnte es sein, dass sie mit Cons Jungem trächtig war? Die letzten Tage war ihr morgens immer übel gewesen, aber es war noch zu früh, um sicher zu sein - und ehrlich gesagt, war allein der Gedanke, dass Con sie für immer verlassen würde, genug, um die Übelkeit in ihr hochsteigen zu lassen. Doch lieber würde sie mit tausend weißen Haien kämpfen, bevor sie versuchen würde, ihn zurückzuhalten, wenn er doch ganz offensichtlich zu seinem alten Leben zurückkehren wollte.
Zu seiner Fernsehsendung.
Seiner dummen Überlebensshow. Survivor! Ha!
Con winkte wie verrückt, nachdem er sich eilig Boxershorts und T-Shirt übergestreift hatte. Zur Antwort hupte das große Boot zweimal und warf den Anker aus. Dann sah sie, wie einige Männer ein kleineres Boot zu Wasser ließen.
„Ich will nicht, dass sie mich sehen", sagte sie leise zu ihm. „Ich gehe jetzt."
„Was .. jetzt? Jetzt sofort? Aber ich wollte dich meiner Crew vorstellen!"
„Ich möchte sie nicht kennenlernen", erwiderte sie.
„Oh." Er rieb sich den rotbraunen Bart, der ihm in der Zeit mit ihr gewachsen war. „Einfach so? Hast du genug von deinem Haustier?"
Sie wusste nicht, wovon er sprach. Er war doch derjenige, 138
der es gar nicht erwarten konnte, von hier wegzukommen. „Ich komme nicht zurück", sagte sie und drehte sich um.
„Warte!", knurrte er und hielt sie am Ellbogen fest. Kühl überlegte sie, ob sie ihm das Handgelenk brechen sollte, und entschied, dass das zu - wie war noch mal das Wort? - gemein wäre. „Meine Güte, du kannst es ja wirklich kaum erwarten, mich loszuwerden! Noch vor kurzem habe ich dir selber diese Chance gegeben. Du hast gesagt, du wolltest bei mir bleiben."
„Und du", sagte sie kalt, „liebst deine Fernsehsendung mehr als jedes Lebewesen." Sah er denn nicht, dass sie nur aus Stolz so handelte? Verstand er nicht, dass sie ihn nicht bitten konnte,
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