080 - Die Vampir- Oma und ihre Kleinen
es konnte nicht. Voller Entsetzen stand es an der Stelle wie ein Denkmal, sah die drei langsam näherkommen. Lucie wollte schreien, doch sie brachte keinen Ton hervor.
Die drei lachten. Ihre schwarzen Augen funkelten.
„Diesmal hilft dir keiner“, sagte Harald.
Er zog eine lange Nadel aus der Tasche.
„Jetzt haben wir dich.“
Lucie war es, als habe sie einen Alptraum, in dem sie an der Stelle klebe und sich nicht rühren könne. Erika kicherte boshaft. Sie nahm Harald die Nadel aus der Hand und zog ein Gasfeuerzeug aus der Tasche, das sie irgendwo gestohlen hatte.
„Schließ die Tür ab, Martin“, sagte sie.
Martin drehte den Schlüssel um. Erika nahm die Nadel. Sie hielt das Ende mit ihrem Taschentuch fest, weil sie sich nicht die Finger verbrennen wollte. Dann knipste sie das Gasfeuerzeug an und hielt die Nadel in die Flamme. Lucie sah, wie der Stahl zuerst rötlich und dann gelbglühend wurde.
Verzweifelt versuchte sie, wegzulaufen oder zu schreien, aber sie konnte kein Glied rühren, brachte keinen Ton hervor. Schweiß trat ihr auf die Stirn, als Erika kichernd auf sie zukam, die Nadel sich ihrem nackten Oberarm näherte.
Draußen auf dem Flur gingen die beiden Lehrer vorbei, die sich mit dem Sportlehrer Reimer noch im Lehrerzimmer unterhalten hatten. Sie hörten keinen Ton. Zwei Minuten später kam Reimer. Schon wollte auch er die Schule verlassen, da fiel ihm ein, daß Gerda Holzbauer vielleicht noch in ihrem Klassenzimmer war. Das war eine gute Gelegenheit, sie allein zu sprechen.
Er ging zur Tür und drückte auf die Klinke. Die Tür war verschlossen. Er runzelte die Stirn. Was sollte denn das? Es war ihm, als höre er ein Wispern und Tuscheln hinter der Tür.
„He“, rief er. „He, ist da jemand?“
Nichts regte sich. Reimer kam die Sache merkwürdig vor. Er ging hoch ins Lehrerzimmer und holte den großen Schlüsselbund. Natürlich brauchte eine verschlossene Tür nichts zu bedeuten, aber Richard Reimer wollte sich doch vergewissern.
Harald Finck hatte durch die Türen und Wände gesehen, wie der Sportlehrer den Schlüsselbund vom Haken nahm. Erika Möller verließ daraufhin das Klassenzimmer. Hinter einem Wandvorsprung wartete sie.
Als Richard Reimer die Treppe herunterkam, schaute sie um die Ecke. Erst als der Lehrer mitten auf der Treppe stand, rief Erika: „Halt!“ Richard Reimer schwebte einen Augenblick lang steif in der Luft. Dann fiel er nach vorn und krachte hart auf die Kanten der steinernen Treppenstufen.
Er rollte die ganze Treppe herunter. Auf dem Flur blieb er liegen. Richard Reimer konnte sich nicht rühren. Er konnte nicht einmal stöhnen, obwohl er sich bei dem Fall auf die Stufenkanten zwei Rippen gebrochen hatte. Es schmerzte höllisch.
Aus den Augenwinkeln sah Reimer eine kleine Gestalt den Gang entlang huschen.
Erika Möller betrat das Klassenzimmer wieder.
„So, das wäre erledigt. Jetzt wieder zu dir, Lucie.“
Als Erika endlich nach Hause kam, erwartete sie Ludwig Möller bereits.
„Erika“, rief er. „Komm in mein Arbeitszimmer. Ich habe mit dir zu reden.“
Das kleine Mädchen setzte sich auf die Kante eines wuchtigen Ledersessels, ließ die Beine baumeln und sah aus dem Fenster. Ludwig Möller saß ihr auf der anderen Seite des modernen Glastisches gegenüber.
„Warum wollte der Rektor mich heute sprechen, Erika?“ fragte er.
Erika zuckte die Schultern.
„Weiß nicht, Vater.“ Sie sah ihn nicht an. „Wir haben nichts gemacht.“
Ludwig Möller hockte sich vor Erika auf den Boden. Er griff ihr sacht unters Kinn und hob ihren Kopf an, damit er ihr in die Augen sehen konnte. In der Tiefe dieser dunklen Augen schienen kleine, boshafte Funken zu tanzen.
„Erika, so geht es nicht mehr weiter“, sagte Ludwig Möller. „Wenn du nicht den Umgang mit diesen beiden Lümmels aufgibst und endlich anfängst, dich wie ein normales Mädchen zu benehmen, geben wir dich weg. Dann kommst du in ein Heim. Dort gibt es Gitter vor den Fenstern und du bekommst Schläge, wenn du nicht gehorchst. Deine beiden Freunde siehst du dann gar nicht mehr.“
Erika wußte, daß es Möller ernst war. Sie machte ihr unschuldigstes Gesicht.
„Ach, Vati, ich will doch gar nicht böse sein. Manchmal passiert irgend etwas, ohne daß ich es will.“
Ludwig Möller ließ sie los und stand wieder auf. Sie war so ganz anders als die übrigen drei Töchter, hatte so gar keine Ähnlichkeit mit ihm und seiner Frau.
„Ich will dich nicht mehr mit den beiden Jungens
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