080 - Die Vampir- Oma und ihre Kleinen
Kätzchen an den Zitzen der Mutter trinken kann.
Mit blutverschmiertem Gesicht trank Erika weiter. Als sie von dem Kind abließ, loderten ihre Augen.
„Das ist gut, das ist herrlich. Kommt, versucht es auch.“
Martin drängte sich vor. Auch er senkte die Zähne in den Hals des Babys, wie er es bei Erika gesehen hatte. Er trank das Blut des Neugeborenen. Nach ihm war Harald an der Reihe.
Taumelnd, wie betrunken, machten die Kinder sich dann auf den Heimweg. Den Säugling ließen sie einfach auf der Lichtung liegen. Als sie den Wald verlassen und alles für den nächsten Tag besprochen hatten, flog Martin mit Erika zur Stadt. Zehn Minuten später kam er wieder, holte Harald ab und brachte auch ihn nach Hause.
Das kleine Mädchen lag noch immer erstarrt auf der Lichtung. Dann begann es, sich zu bewegen und zu schreien, denn es war eine kühle Nacht.
Der Förster Erhard Herrling war in dieser Nacht auf der Pirsch nach einem Zwölfender.
Als er durch den Wald ging, hörte er plötzlich das Schreien eines Säuglings. Erhard Herrling folgte dem Geschrei. Voller Überraschung sah er auf der Lichtung das nackte, wenige Tage alte Kind. Ein paar Kindersachen lagen vertreut herum. Der Förster zog seine grüne Jacke aus und wickelte den Säugling hinein.
Dann marschierte er zur Stadt. Eine Stunde später betrat er mit dem Kind das Städtische Krankenhaus. Von dort aus rief er gleich die Polizei an.
Mißtrauen herrschte in der Stadt, seit der Förster Erhard Herrling die kleine Clivia Bloch gefunden hatte, bevor sie an Entkräftung, Unterkühlung und dem hohen Blutverlust starb. Die Polizei stand wieder einmal vor einem Rätsel. Die Eltern neugeborener Kinder verschlossen nachts sorgfältig Türen und Fenster und wachten über ihre Lieblinge.
Zuviel war in den letzten achtzehn Monaten in der kleinen Stadt passiert. Der mysteriöse Todesfall Lucie Sonnfelds, über den immer noch Gerüchte kursierten, die Brandstiftung, die drei Todesopfer gefordert hatte. Zudem wurden aus unbekannten Quellen Gerüchte laut, daß ein fliegender Mann über der Stadt gesehen worden sei.
In dem früher so friedlichen Städtchen traute keiner mehr dem andern. Jeder belauerte seinen Nachbarn, seine Bekannten und Freunde, denn – wer weiß? – vielleicht hatten sie mit den mysteriösen Vorkommnissen zu tun?
Roswitha wagte zum erstenmal seit Jahren wieder, ihrer Mutter ernsthaften Widerstand zu leisten. Sie packte ihre Koffer.
Annie beobachtete sie höhnisch lächelnd.
„Du kannst nicht gehen, wenn ich es nicht will.“
„O doch, Mutter, ich kann.“ Roswitha knöpfte ihr Kleid auf. Zwischen ihren vollen Brüsten hing ein kleines, goldenes Kreuz. „Es ist vom Heiligen Vater selbst gesegnet und von einem spanischen Wundermönch mit einem Bann versehen, der jeden Zauber und jede Beschwörung aufhebt, der sich gegen den Träger richtet.“
Annie fuhr zurück, als sie das Kreuz sah. Sie wandte den Blick ab.
„Weshalb willst du denn plötzlich weg, zum Teufel?“ kreischte sie.
„Weißt du das nicht? Was ist denn mit dem entführten Kind, Mutter? Da hast du doch deine Hände im Spiel. Du und diese Bälger, die ich geboren habe. Im Mutterleib hast du meine Kinder mit Beschwörungen und Zaubertränken zu Ungeheuern gemacht. Möge Gott es dir verzeihen am Jüngsten Tag, ich kann es nicht. Mit diesem Kreuz bin ich endlich frei von dir, Mutter. Ich sage mich los von dir. Ich will dich nie mehr sehen, du … du Vampir.“
Annie wollte ihr mit den Fingernägeln ins Gesicht fahren, aber das Kreuz funkelte im Lampenlicht. Die Frau taumelte zurück und stöhnte laut auf.
Roswitha nahm ihren Koffer, ging zur Tür.
„Halt, einen Augenblick noch“, schrie Annie hinter ihr her. „Vielleicht kann ich dir mit meinen magischen Kräften nicht mehr gefährlich werden. Vielleicht versagen auch die Fähigkeiten der Kinder bei dir. Aber ich kann dich auf andere Art erledigen. Der Kindesräuber, der die kleine Clivia Bloch entführt und ihr Blut ausgesaugt hat, wird überall gesucht. Wenn du dich von mir abwendest, dann schiebe ich dir diese Tat in die Schuhe und noch andere dazu. Dr. Marasch wird mein Zeuge sein, denn ich habe ihn in der Hand. Und drei Kinder werden gegen dich aussagen. Unschuldige, unmündige Kinder, die doch sicher kein Interesse daran haben, eine falsche Aussage zu machen.“
Roswitha blieb auf der Schwelle stehen.
„Wenn du das tust, dann rede ich. Dann erzähle ich alles, was ich weiß.“
Annie lachte
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