080 - Die Vampir- Oma und ihre Kleinen
hat.“
„So? Wo war das denn und woher weißt du, daß es dieser Mann war?“
Erika spielte das nette, liebe Mädchen, das kein Wässerchen trüben konnte.
„Wir spielten am Pappelweg, in der Nähe des Friedhofes. Da kam eine Frau mit einem Kinderwagen. Sie ließ den Kinderwagen vor dem Friedhof im Schatten der großen Birke stehen und ging hinein auf den Friedhof. Da hielt ein Auto. Ein Mann stieg aus. Er sah über die Friedhofmauer und spähte nach allen Seiten. Dann beugte er sich über den Kinderwagen. Er wollte das Baby aus dem Wagen nehmen. Aber Harald und ich schrien laut. Da lief er zu seinem Auto und fuhr weg. Die Frau kam vom Friedhof. Sie schimpfte mit uns, weil wir ihr Baby mit unserem Geschrei aufgeweckt hatten.“
„Wie sah denn dieser Mann aus?“
„Oh, er war mächtig groß und hatte ein böses Gesicht. Als er uns sah, fletschte er die Zähne wie ein böser Hund.“
Mit der Beschreibung konnte der Rektor wenig anfangen.
„Er wohnt im‚ Goldenen Anker’, Herr Rektor, und er fährt einen Opel, wie Haralds Vater einen hat. Nur ist sein Opel blau.“
Rektor Karl Bauer vergaß einen Augenblick zu atmen. Er ging zur Tür und sagte zu der Sekretärin: „Frau Holzapfel, holen Sie mir den kleinen Harald Finck aus der 2b, schnell.“
Dann sprach er noch eine Weile mit Erika. Von Harald Finck erfuhr er, daß es sich bei dem Wagen seines Vaters um einen Opel Rekord 1900 L handelte. Er ließ die Kinder im Sekretariat warten und rief die Polizei an.
Viereinhalb Minuten später standen drei Polizeibeamte vor der Frau des Wirtes vom „Goldenen Anker“. Sie runzelte die Stirn.
„Ja, das ist der Herr von Nummer 7. Der ist jetzt weg, aber er hat gesagt, daß er heute mittag hier essen will. Was wollen Sie denn von ihm?“
Polizeimeister Strube, ein im Dienst ergrauter Mann, machte einen Fehler, als er sagte: „Vielleicht ist der Mann der Kindesräuber. Wir haben da einen Hinweis. Wann wollte er hier sein?“
„So gegen zwölf.“
Die drei Beamten informierten die Dienststelle. Sie erhielten ihre Anweisungen. Dann warteten sie in der Gaststube. Ein Inspektor der wegen des Kindesraubes gebildeten Sonderabteilung gesellte sich zu ihnen. Kurz nach halb Zwölf kam Rektor Karl Bauer mit Erika Möller und Harald Finck auf den Markplatz gegenüber dem „Goldenen Anker“ gefahren.
Ein Polizeibeamter in Zivil beugte sich an das offene Fenster des Wagens.
„Jetzt paßt mal auf, Kinder“, sagte er. „Gleich kommt ein Mann gefahren. Ihr sagt mir, ob es der ist, den ihr am Friedhof gesehen habt, ja?“
„Aber klar.“
In den Fachwerkhäusern rund um den gepflasterten Marktplatz hatten sich eine Menge Leute versammelt. Wie ein Lauffeuer hatte sich herumgesprochen, daß der Kindesräuber im „Goldenen Anker“ wohnte. Die Leute ließen sich nicht sehen, aber sie waren da. Ein Polizeibeamter, der die Erbitterung der Bürger der Stadt kannte, forderte Verstärkung an.
Die Leute mußten eine Weile warten. Erst viertel nach Zwölf bog mit quietschenden Reifen ein blauer Opel um die Ecke und hielt vor dem „Goldenen Anker“. Ein Mann mit einer Aktentasche stieg aus.
„Das ist er“, riefen Erika und Harald. „Das ist der Mann, den wir gesehen haben.“
Der Polizist in Zivil machte ein Zeichen zum Fenster der Gaststätte hin. Als der Mann die Tür der Gaststube öffnete, sah er in die Mündungen von drei schußbereiten Polizeipistolen.
„Was soll denn das?“
„Sie sind verhaftet. Sie werden verdächtigt, der Kindesentführer zu sein. Leisten Sie keinen Widerstand, Mann, und heben Sie die Hände!“
„Was? Ich? So ein Unsinn. Warum, zum Teufel, sollte ich denn kleine Kinder entführen? Ihr habt wohl einen Riß am Kopf, was?“
Der schimpfende Mann wurde durchsucht. Er trug keine Waffe bei sich. Seine Aktentasche enthielt nur Prospekte, eine Preisliste und einen Schreibblock. Der Mann gab an, Handelsvertreter zu sein und für eine Firma im Ruhrgebiet Gabelstapler und Lagereinrichtungen zu verkaufen.
„Das werden wir alles nachprüfen. Kommen Sie mit.“
Handschellen klickten. Als die Polizisten den Handelsvertreter aus dem Gasthaus führten, sammelte sich im Nu eine Menschenmenge auf dem Marktplatz an.
„Das ist er, das ist der Kindesräuber!“ schrie eine helle Kinderstimme über das Raunen der Menge hinweg.
Rufe wurden laut. „Hängt ihn auf!“ „Schlagt das Schwein tot!“ „An die nächste Laterne mit ihm!“ Wie ein Mann rückte die Menge vor.
Hände griffen nach dem Mann.
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