0800 - Luzifers Höllenfestung
über das eben Gehörte nachzudenken. Über dieses brutale, furchtbare Spiel des Wächters der Schicksalswaage mit den Menschenleben.
»Diese Schrift, diese Sprache ist doch uralt, sagtest du. Dein Amulett, die Amulette überhaupt, allenfalls tausend Jahre.«
»Du bist auch uralt, um die achttausend Jahre. Du könntest sie also kennen«, sagte Zamorra. »Was ist nun?«
Der Druide beugte sich vor und griff nach dem Amulett, das Zamorra auf den Tisch gelegt hatte. Er betrachtete es eingehend, drehte es hin und her, betastete es. »Alter, kann es sein, dass mit deiner Scheibe etwas nicht stimmt?«
»Wie kommst du darauf?«
»Normalerweise sollten doch alle Hieroglyphen verschiebbar sein, oder?«
»Normalerweise ja, in der Praxis habe ich es aber noch nicht erprobt. Nur bei einigen.«
»Das hier zum Beispiel?« Gryf zeigte Zamorra, welches er meinte.
Verblüfft starrte der auf das Symbol, das ihm heute schon einmal aufgefallen war. Als er es mit den Schriftzeichen aus dem alten Buch verglich.
Es fühlte sich stabil an, ließ sich nicht verschieben. Er entsann sich, dass ihm das auch bei der Auseinandersetzung mit Stygia bereits aufgefallen war, aber da hatte es nichts mit der Zeitschau zu tun gehabt, für das es eigentlich stand.
Aber für einige magische Aktionen war es erforderlich, mehrere Zeichen zu verschieben. Warum sollte dann nicht auch umgekehrt eines für mehrere Aktionen verantwortlich sein?
Wie dem auch sei, mit einer blockierten Zeitschau konnte er leben. Wenn andere, wichtigere Funktionen ausfielen, konnte das lebensgefährlich sein.
»Wie können sich Eigenschaften des Amuletts so plötzlich verändern?«, grübelte Gryf. »Hast du da irgendwie herumgezaubert? Eventuell einen Zauberspruch aus dem Buch benutzt?«
Zamorra schüttelte den Kopf.
»Auch nicht unbewusst? Hast du nicht vielleicht mal versucht, eines oder zwei der Schriftzeichen in gesprochene Sprache umzusetzen? Leise vor dich hin gemurmelt?«
»Weiß ich nicht mehr«, erwiderte er schulterzuckend.
»Zeig mir das Schulheftchen mal«, verlangte der Druide.
Zamorra erhob sich. »Dann komm mit ins ›Zauberzimmer‹.«
***
Stygia spürte den Zielort des neuesten gryf sehen Teleports ebenso auf wie vorhin die Blockhütte. In die warf sie nur einen kurzen Blick, nachdem sie die Energie der örtlichen Versetzung wahrgenommen hatte, und fand sie leer vor. Daher folgte sie Gryf, wohin dieser zeitlos gesprungen war.
Und wohin?
Zum Château Montagne!
Ausgerechnet. Stygia unterdrückte nur mühsam einen Wutschrei. Zamorra und Gryf waren ihr entwischt! Hinter der weißmagischen Kuppel, das wusste sie, waren sie vor ihrem Zugriff sicher. Wenn sie versuchte, die M-Abwehr zu durchdringen, würde sie sich nur eine blutige Nase holen.
Woher sollte sie auch wissen, dass die Schutzkuppel durchlässig geworden war, und das ausgerechnet durch einen Zauber, den Zamorra selbst unbewusst und ungewollt vollzogen hatte?
Der Kampf war für diesmal beendet. Es hatte keinen Sinn, Zamorra noch einmal so zu ködern. Beim nächsten Vorfall dieser Art, auch bei einer eventuellen Geiselnahme, würde er gewappnet sein. Er würde sofort den richtigen Verdacht schöpfen und ihr weit besser ausgerüstet entgegen treten.
Okay, sie hatte getan, was ihr möglich war. Lucifuge Rofocales Auftrag hatte sie so weit erfüllt, wie es ging. Mehr konnte sie nicht tun.
Friß es, oder erstick daran, dachte sie in bitterer Wut. Die Fürstin der Finsternis hatte sich zur billigen Handlangerin von Satans Ministerpräsident machen lassen.
Sie kehrte zurück in Luzifers Höllenfestung, in welcher der Ministerpräsident residierte und in der auch sie ihren Thronsaal hatte. Es war vielleicht an der Zeit, überlegte sie, sich da ein wenig abzukoppeln und ihren Thron in einem anderen Bereich einzurichten. Nicht gar so dicht in Lucifuge Rofocales Nähe. Auch wenn sie sich damit vielleicht ein wenig von der Hauptschaltstelle der Macht entfernte.
Aber vermutlich kam sie jetzt, da er sich dummdreist auf den Thron gesetzt hatte, in ihrer Karriere ohnehin nicht mehr weiter nach oben. Mit Calderone wäre sie über kurz oder lang fertig geworden. Aber mit diesem Ungeheuer aus der Spiegelwelt wahrscheinlich nicht.
Damit musste sie sich abñnden.
Es lief alles aus dem Ruder, ging nicht mehr in die Richtung, die sie einmal eingeschlagen hatte. Sie hatte zu lange gewartet, ihren nächsten Karrieresprung zu machen. Jetzt war es zu spät.
Sie steckte voller Wut. Aber das half ihr auch
Weitere Kostenlose Bücher