0801 - Sirenen des Alls
Streites schicken mußte.
Daß Dollg im Begriff stand, sie selbst in einer solchen Angelegenheit zu bemühen, machte Quoytra verdrossen und steigerte jenes Gefühl der Ungeduld, das bereits bei Dollgs Anblick in ihr erwacht war.
Ausgerechnet jetzt, da die Ankunft der Fremden bevorstand!
Quoytra hatte wirklich andere Dinge zu tun, als sich mit Dollgs Problemen auseinanderzusetzen.
„Wende dich an eine der Gralstöchter!" forderte sie ihn auf.
„Man wird sich um dich kümmern, wenn deine Schwierigkeiten Gewicht haben."
Dollg sah sie aus seinen feucht schimmernden kleinen Augen an.
„Ich möchte mit dir über diese Sache reden", sagte er hartnäckig.
Sie sah ihn aufmerksam an und kam zu dem Schluß, daß er nicht aus Unverschämtheit, sondern aus einem inneren Bedürfnis heraus so handelte. Obwohl er ein Männchen war, durfte sie ihn nicht verprellen. Die Gralsmutter war für alle Dorfbewohner da, vorausgesetzt, es handelte sich um wirkliche Notsituationen.
„Was ist geschehen?" erkundigte sie sich.
„Daitra ist verschwunden!"
Ungläubig und schockiert wich Quoytra zurück. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht damit, daß ausgerechnet einer der Männer sich um das Schicksal eines älteren Kelsirenweibchens kümmern würde.
Sie täuschte Nachdenklichkeit vor, um ihre Verwirrung zu verbergen. Welche Verbindung hatte zwischen Daitra und Dollg bestanden, daß er sich nach ihr erkundigte?
Wahrscheinlich, sagte sie sich, hatte Daitra geholfen, Dollgs Garten in Ordnung zu halten. Entweder war er ungehalten darüber, daß sich bisher kein jüngeres Weibchen gefunden hatte, um diese Arbeit zu übernehmen, oder er empfand für Daitra ein Gefühl von Dankbarkeit. Eingedenk dessen, was sie über die Mentalität der Männer wußte, zog Quoytra zunächst einmal die erste Möglichkeit in Betracht.
„Ich weiß, daß sie gegangen ist", erwiderte sie schließlich.
Dollg machte eine verlegene Schwimmbewegung mit den Armen.
„Wurde sie nach Lugh-Pure gebracht?"
Quoytra traute ihren Ohren nicht. Diese Frage kam so unerwartet, daß die Gralsmutter von ihr vollends aus der Fassung gebracht wurde. Unwillkürlich umschloß sie mit einer Hand den Kristall auf ihrer Brust. Sie spürte seine Pulsationen.
Kraft strömte in ihren Körper.
„Wie kommst du darauf, daß man sie auf den vierten Planeten gebracht haben könnte?"
„Sie hat mir eine Nachricht hinterlassen!"
„Eine Nachricht?" erkundigte sich Quoytra irritiert. Hatte Daitra dieses Männchen für wertvoll genug erachtet, um ihm ihre intimsten Geheimnisse anzuvertrauen?
Es gab nur eine Möglichkeit: Zwischen Dollg und Daitra mußten starke parapsychologische Bande bestanden haben. Zwischen Kelsiren-weibchen kam das häufig vor, aber zwischen Angehörigen der beiden Geschlechter war es eine Seltenheit, ja, es war sogar der erste Fall, von dem Quoytra hörte - immer vorausgesetzt, daß ihre Vermutung überhaupt zutraf.
Dollg deutete in Richtung seiner Behausung.
„Dort!" sagte er. „In meinem Garten."
Den anderen Kelsiren würde es seltsam vorkommen, wenn sie beobachteten, daß ihre Gralsmutter ausgerechnet einem Männchen in dessen Garten folgte, aber Quoytras Autorität war stark genug, daß sie sich ein solches Verhalten leisten konnte.
„Geh voraus!" befahl sie Dollg. „Ich werde dir folgen."
Sie bewegten sich zwischen den primitiven Hütten hindurch, bis sie Dollgs Garten erreichten. Er lag inmitten der Gärten zweier Weibchen und nahm sich dazwischen aus wie eine Wüste.
Man durfte Dollg jedoch keinen Vorwurf machen, als Männchen besaß er einfach nicht genügend psionische Energie, um einen großen Garten zum Blühen zu bringen. In dieser Beziehung erging es ihm wie den meisten Männchen. Im Vergleich zu manchen anderen fiel er sogar noch deutlich ab.
Dollg blieb vor dem aus Stauden gefertigten Tor stehen und machte eine Geste, als zeige er auf die Pforten des Paradieses.
Männliche Eitelkeit, dachte Quoytra unangenehm berührt, stand schon seit jeher im krassen Gegensatz zu den tatsächlich erbrachten Leistungen.
„Tritt ein", sagte Dollg großartig. „Sei mein Gast und genieße die üppig dargebotenen Dinge."
Obwohl von Üppigkeit keine Rede sein konnte, nahm Quoytra die Einladung als zeremonielle Floskel widerspruchslos hin.
Eine charakteristische Pflanze im Garten eines Männchens war die Distel, die auch auf Dollgs Gelände in überreichem Maße gedieh.
Dollg konnte die mißbilligenden Blicke der Gralsmutter nicht
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