0803 - Meleniks Mordnacht
Geräusch. Das Knirschen von Gestein.
Melenik kam!
Nein, nicht persönlich, sondern die zum Leben erwachte Figur des Königsohnes.
Ich wartete ab und hatte mich nicht versteckt. Ich sah auch den Schatten, der sich als schwarzgraues, menschengroßes Monstrum durch die Finsternis über den Platz hinwegbewegte. Es war zunächst nur ein Umriss, der allerdings erhielt zwei markante Punkte, denn in Kopfhöhe glühte ein rotes Augenpaar.
Düster, als hätte er Funken vom Feuer der Hölle gefangen. War er eine Kreatur der Finsternis? Verbarg sich hinter diesem normalen Gesicht der kalte Schrecken?
»Achtung!« Diesmal warnte ich. »Die Lampen!«
»Ins Ziel, John?«
»Ja!«
Suko und ich waren eingespielt. Zugleich schalteten wir unsere Leuchten ein. Von zwei verschiedenen Seiten her zerschnitten die Strahlen die schwammige Finsternis, und sie trafen genau bei einem einzigen Ziel zusammen.
Meleniks steinerner Kopf wurde erwischt. An zwei verschiedenen Stellen verteilte sich das grelle Licht, sodass wir ihn endlich genau sehen konnten.
Ja, er war es.
Es war dieser verfluchte Dämon, den wir auf der Wand gesehen hatten. Sein Gesicht war nicht mehr dasselbe geblieben, wie wir es vom Portal her kannten. Es hatte sich verändert und war doch so »natürlich« geworden.
Abstoßend für uns, aber wir hatten es schon gesehen. Grau und breit, mit wulstigen Lippen, mit bösen Augen und einer klumpig wirkenden Nase.
Dieses Gesicht strahlte die gesamte Boshaftigkeit aus, die in dem Dämon steckte. Es war menschenverachtend, in seinem Innern tobte der blanke Hass, und der Tod war sein einziger Freund.
Ich ließ ihn kommen.
Er trug keine Waffe, er war aus Stein, er bewegte sich schwerfällig, da kratzten die Sohlen über den Boden, und es hatte tatsächlich kleine Risse in der Gestalt gegeben, aus der winzige Staubwölkchen hervorquollen wie Pulverdampf.
Bei jedem Schritt stampfte er auf.
Es waren die einzigen Geräusche, die wir hörten, alles andere, auch der trotz allem ablaufende Verkehr in dieser Nacht, waren in den Hintergrund getreten.
Melenik kam.
Und ich ließ ihn kommen.
Am Rande kriegte ich mit, dass auch Suko und Bill ihre Plätze verlassen hatten. Sie trauten sich jetzt näher heran, blieben aber geduckt, um so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten.
Noch ein Schritt.
Abermals erklang das dumpfe Geräusch. Dazwischen das Knacken und leise Knirschen, als wären die Steine dabei, allmählich zu zerbrechen.
Im nächsten Augenblick gellten die Schreie über den Platz. Eine Armee von Vögeln schien aus der tiefen Dunkelheit hervor in die Höhe geflattert zu sein, um ihre Runden zu drehen, die von schrillen, unnatürlichen Schreien begleitet wurden.
Innerhalb kürzester Zeit waren wir in einem Kessel der Angst gelandet. Ich schaute nach oben, sah keine Vögel, aber die Geräuschkulisse war in meinen Rücken am lautesten.
Deshalb drehte ich mich um.
Nicht die Vögel jagten kreischend und flatternd durch die Luft, sondern die dämonischen Fratzen, die sich von der Wand gelöst hatten, und in uns ihre neuen Opfer sahen…
***
Wohl jedem von uns war das Bild noch in Erinnerung geblieben, das uns die Wand geboten hatte. Unzählige dämonische Wesen hatten sich auf die erschreckten Menschen gestürzt und sie auf grausame Art und Weise getötet. Sie waren von den Krallen und Zähnen regelrecht zerrissen worden. Ihr Blut hatte den Boden gedüngt, und sie suchten sich nur die neuen Opfer aus, nämlich uns.
Wie konnte ich sie stoppen?
Ich hatte sie nicht zählen können, es waren zu viele. Möglicherweise fliegende Kreaturen der Finsternis. Sollte das so sein, würden sie auf mein Kreuz reagieren, und ich probierte es. Einer dieser fliegenden Schmetterlinge raste mir entgegen.
Ich duckte mich, sprang zur Seite, zog dabei meinen Dolch und erwartete noch in der Drehung den nächsten Angriff.
Das Wesen raste heran.
Ich stieß zu.
Die Klinge des Dolchs traf das fratzenhafte Gesicht. Sie jagte tief hinein und sogar hindurch.
Ein böses Kreischen erreichte meine Ohren, dann fielen Schüsse, und Meleniks steinerne Figur ruderte mit den Armen. Der Dolch hatte den Kopf des Wesens zerschnitten. Der Körper prallte zu Boden. Gleichzeitig ergriff Bill Conolly die Flucht.
Er tat eigentlich das einzig Richtige, denn er rannte mit Riesenschritten auf das Portal der Kathedrale zu. Kein Wesen verfolgte ihn, auch Suko nahm den gleichen Weg, und ich wollte nicht zurückstehen. Bevor wir uns hier in Einzelkämpfen
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