0804 - Das Teufelstor
besten einsetzte. In seinem Einsatzkoffer hätte er auch weiße Kreide gehabt, aber dieser kleine Alu-Koffer stand im Château Montagne. In der Abreise-Hektik einfach vergessen… Es hatte schnell gehen müssen, weil Brik Simon es so dringend gemacht hatte, das Flugzeug in Lyon war schon beinahe startbereit, und sie hatten es gerade noch geschafft, die Tickets zu ordern und durch die Kontrollen an Bord zu gelangen.
Seinen Dhyarra-Kristall hatte er auch nicht dabei. Nur Nicole hatte an ihren gedacht.
Zamorra betrachtete das Wasser. Blaue Magie…? Entschlossen zupfte er ein Kreidestück aus der Schachtel hervor, um einen Test zu machen. So viel Zeit musste er sich jetzt einfach nehmen.
Für die magische Aufladung zu sorgen, war das Geringste aller Probleme. Mit Hilfe des Amuletts ging das recht schnell.
Und dann begann der Meister des Übersinnlichen zu zaubern…
***
Pioll stupste Nicole Duval an.
»Bitte, wir dürfen hier nicht lange bleiben. Wenn unser Vater uns hier erwischt, dann geschieht ein Unglück. Ich hätte dich nie hierher führen dürfen.«
Nicole verstand die Angst des Jungen. Doch sie konnte den Blick nicht von dem abwenden, was sie durch die Holzklappe erblickte. Wesen wie diese hatte sie noch nie gesehen, nicht einmal von ihnen gehört. Einen entsprechenden Eintrag gab es in Zamorras riesiger Datei nicht, da war sie ganz sicher.
Wie Kinder hockten die beiden Wesen auf dem kahlen Boden. Sie umklammerten einander wie zwei Ertrinkende. Die Gesichter erinnerten an Greise, eher sogar noch an Primaten. Die Haut… sie schien starr und unbeweglich, wie Baumrinde. Und auch ebenso zerfurcht wie diese. Der Mund mit den schmalen Lippen war zahnlos, soviel konnte die Französin erkennen. Doch die ganze Aufmerksamkeit des Betrachters wurde von dem einen Auge gebannt. Dem goldenen Auge.
Nicole Duval war eine schwach begabte Telepathin. Diese Fähigkeit war nicht so stark ausgeprägt, ihr die Gedanken anderer Wesen so einfach zu offenbaren. Eine Tatsache, für die Nicole stets dankbar gewesen war, denn eine solche Begabung konnte auf Dauer nur belastend sein. Es gab viele Dinge, die man besser nicht wusste… nicht wissen wollte !
Auch die Silbermond-Druiden und die Peters-Zwillinge hatten damit ihre Probleme und hielten sich trotz wesentlich stärkerer Begabung normalerweise zurück, setzten diese Fähigkeit nur in Notfällen ein.
Nicole besaß immerhin eine Art »besonderen Schutz gegen zufälliges Benutzen«, wenn man es so nennen konnte: sie musste denjenigen, dessen Gedanken sie wahrnahm, direkt sehen. War nur eine dünne Wand zwischen ihnen, reichte auch das Wissen nicht, dass er sich dahinter befand. Mit diesem Handicap konnte sie sehr gut leben. Doch sie war auch in der Lage, starke telepathische Botschaften zu empfangen und diese zu deuten, wenn sie von einem anderen Telepathen direkt an sie gerichtet wurde. So wie hier.
In diesem Fall war dieses Deuten jedoch auch problemlos. Zu eindeutig war die Botschaft.
»Hilf uns. Bitte, hilf uns doch… wir wollten doch nur das Gute. Hilf…«
Es gab für Nicole keinerlei Zweifel an der Wahrheit dieser Botschaft.
Was sie hier sah, war das Werk eines Irren. Mit größtem Vergnügen hätte sie in diesem Augenblick ihre Hände um den Hals jenes Wlady Ormoff gelegt, der seine Untertanen hungern ließ und diese Wesen versklavte. Doch dessen Hals war nicht in direkter Reichweite. Also blieb ihr nur etwas anderes, das sie tun konnte.
Nicole trat einen Schritt von der Tür zurück und rüttelte mit beiden Händen daran. Massiv, äußerst massiv sogar war sie.
Pioll hob abwehrend beide Hände, als er den Blick der schönen Frau spürte.
»Ich kann dir den Schlüssel nicht besorgen. Den trägt Vater immer bei sich. Denk nicht einmal daran, ihn ihm abzunehmen. Eher würde er dich töten… und uns vielleicht auch.«
So ging es also nicht. Nicole nickte. Also musste eine andere Art von Schlüssel her.
Aus einer gesicherten Tasche ihrer Kombi holte sie entschlossen den Dhyarra-Kristall hervor. Mit einem skeptischen Blick betrachtete sie den Stein, dessen rätselhafte Kräfte wohl nie so ganz erforscht werden konnten. Ted Ewigk kam ihr in den Sinn, der sich selbst in seiner unsinnigen Suche nach Carlotta aufrieb, die einfach so spurlos verschwunden war. Er hatte sich in ein Falschdenken verrannt, aus dem ihn niemand befreien konnte. Das würde nur er selber schaffen. Solange jedoch war von seiner Seite keine große Hilfe zu erwarten. Seine Macht, die in dem
Weitere Kostenlose Bücher