0804 - Der Zeithammer
er sich hatte schützen wollen, mit voller Wucht traf.
Ein paar Sekunden nach dem Erwachen war er sein eigener Herr gewesen - nicht länger. Die Kleine Majestät ergriff von ihm Besitz. Kulliak Jon wurde ein Geschöpf der Inkarnation CLERMAC.
Die Verwandlung ging nicht ohne Schwierigkeiten vor sich.
Kulliaks Eigenbewußtsein leistete eine Zeitlang Widerstand, hauptsächlich auf der Ebene des Unterbewußten.
Der Siganese fühlte sich eine Zeitlang hin- und hergerissen, ohne zu wissen, worum es eigentlich ging.
Dann aber setzte sich der fremde Wille in ihm durch.
Eine Zielvorstellung erwuchs in seinem Bewußtsein.
Es gab einen Ort...
Den Ort des ganz neuen Glücks.
Er empfand unwiderstehliche Sehnsucht, diesen Ort aufzusuchen.
Irgendwo ganz hinten in seinem Bewußtsein war die verschwommene Erinnerung an einen Auftrag, den er übernommen hatte. Wenn er von hier wegging, handelte er diesem Auftrag zuwider.
Wen kümmerte es...?
Er zögerte nicht.
Er packte zusammen, was er brauchte: Proviant und eine siganesische Strahlwaffe. Die Kenntnis der unterirdischen Gänge und Räume der Station war ihm erhalten geblieben, wiewohl er jetzt unter dem Einfluß eines fremden Geistes stand.
Das lag daran, daß es sich dabei um eine Grundkenntnis handelte, die für ihn lebenswichtig gewesen war.
Andere Dinge hatte er vergessen. Zum Beispiel, daß es in Palatka ein paar siganesische Fahrzeuge gab, die er selbst hatte hierherbringen lassen. Dieses Wissen war für sein Überleben nicht notwendig gewesen und hatte daher nicht den Rang einer Grundkenntnis.
Er machte sich also zu Fuß auf den Weg.
Er hatte eine dumpfe Ahnung, daß es nicht so leicht sein würde, einen der Stationsausgänge zu erreichen. Aber woher diese Ahnung rührte, das konnte er nicht sagen.
Er schritt wacker aus. Für ihn, den Siganesen, der nicht einmal die Spanne einer menschlichen Hand maß, war es ein langer Marsch bis zum nächsten Ausgang. Er würde mindestens einen Standardtag brauchen.
Aber was machte das aus? Er war auf dem Weg zu einem ganz neuen Glück.
Er war noch mehrere tausend Schritte von einer Gangkreuzung entfernt, als er den huschenden Schatten sah, der sich quer über die Kreuzung bewegte. Er blieb stehen und lauschte. Kein Geräusch war zu hören.
Kulliak Jon ließ sich nicht täuschen.
Die Ahnung trog ihn nicht. Der Weg war voller Gefahren!
Inzwischen hatten auch andere den seltsamen Ruf vernommen.
Er erklang einmal pro Standardtag, Wer ihn hörte, der glaubte zuerst, es sei eine menschliche Stimme, die da rief. In Wirklichkeit war es ein Eindruck, der im Bewußtsein entstand.
Der Ruf war ein mentales Signal. Es schien von Menschen auszugehen. Es wirkte vertraut. Man wußte nicht, woher es kam.
Einige meinten, es müsse von der Erde kommen.
Der einzige, der sich näher mit der Sache befaßte, war ausgerechnet Douc Langur.
Er verbrachte manchen Tag im Innern der HÜPFER und bastelte an einem Gerät, das sein Translator als einen Mentaldetektor bezeichnete. Wenn er es fertig hatte, würde er Messungen anstellen und ermitteln, woher der geheimnisvolle Ruf kam.
Die anderen hatten Wichtigeres zu tun. Sie mußten sich vor den Auswirkungen des Vergangenheitssyndroms schützen, dem jedes menschliche Mitglied der kleinen Kolonie auf Intermezzo bis jetzt wenigstens einmal erlegen war.
Der Name stammte von Jentho Kanthall und klang sehr wissenschaftlich. Sante Kanube hatte einen Begriff geprägt, der weniger fachkundig klang, dafür aber leicht ins Ohr ging: Zeithammer.
Wen der Zeithammer traf, der vergaß die Wirklichkeit ringsum und schlüpfte in die Rolle einer Person aus längst vergangenen Tagen einer Epoche der Menschheitsgeschichte oder -Vorgeschichte.
Walik Kauk, der sich als römischer Kaiser Diokletian fühlte, hatte den Anfang gemacht. Danach kam Bilor Wouznell als altsteinzeitlicher Jäger. Es war weitergegangen. Niemand war sicher, daß er nicht im nächsten Augenblick vom Zeithammer getroffen wurde.
Der merkwürdige Effekt bereitete ihnen Sorgen. Gleichzeitig rätselten sie daran herum, wodurch der Zeithammer ausgelöst würde. Jentho Kanthall hatte an eine fremdartige Strahlung gedacht, die von dem Planeten oder seiner Sonne ausgehe.
Aber keines der Meßinstrumente konnte diese Strahlung nachweisen. Genaue Analysen der Atmosphäre waren durchgeführt worden, um festzustellen, ob es dort halluzinogene Beimengungen gebe. Aber auch daraus ergab sich kein Anhaltspunkt.
Walik Kauk verfolgte eine andere Hypothese.
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