0808 - Anruf aus dem Jenseits
gewöhnt.«
Der Chefinspektor lächelte etwas säuerlich zurück.
Zamorra sah Robin an. »Bevor du hier deine ganze restliche Mannschaft auffahren lässt, möchte ich eine Zeitschau versuchen. Wir müssen herausfinden, was hier gespielt wird.«
Robin nickte knapp. Nicole und die Beamten zogen sich ein Stück zurück.
Zamorra ging neben dem Toten in die Knie und versetzte sich mittels eines posthypnotischen Schaltworts in Halbtrance. Seine suchenden Finger verschoben die Hieroglyphen, die am Rand der handtellergroßen Silberscheibe angeordnet waren und die sofort wieder in ihre Ausgangsposition zurückglitten. Der stilisierte Drudenfuß in der Mitte des Amuletts verblasste, um einer Art Miniatur-Bildschirm Platz zu machen.
Die Zeitschau war aktiviert.
Gleich darauf waren die Ereignisse der unmittelbaren Vergangenheit wie in einem rückwärts laufenden Film zu sehen. Noch einmal wurde der Parapsychologe Zeuge, wie Merlins Stern das Telefon zerstörte. Er konzentrierte sich stärker und lenkte seine Gedanken tiefer in die Vergangenheit.
Sekundenlang war nur der regungslose Körper des Toten zu sehen. Dann hatte Zamorra den richtigen Zeitpunkt erreicht.
Er sah Tribolet sterben.
Der Parapsychologe ließ das Bild einfrieren und schaltete dann per Gedankenbefehl auf langsamen Vorlauf. Hinter ihm waren Nicole und Robin leise näher getreten und sahen ihm über die Schulter. Gespannt verfolgte er die Ereignisse.
Tribolet sprach aufgeregt in sein Mobiltelefon. Wieder einmal bedauerte Zamorra, das die Zeitschau keine Tonübertragung beinhaltete. Er hätte zu gern gewusst, worüber der Tote gerade redete. Zwar beherrschte er die Kunst des Lippenlesens, doch das Bild war zu klein und unscharf, um sich auf solche Feinheiten konzentrieren zu können.
Plötzlich legte Tribolet das Handy weg und nahm den Hörer seines Festnetz-Telefons ab. Seine Miene wurde schreckensbleich. Hatte er vorher schon erregt gewirkt, so machte er jetzt einen regelrecht panischen Eindruck. Hastig sprach er in den Hörer, um dann plötzlich regelrecht zu versteinern.
Ein seltsames blaues Leuchten drang aus dem Hörer und hüllte die Züge des Mannes in geisterhaftes Licht.
Worum immer es sich handelte, es schien Tribolet Schmerzen zuzufügen. Nach den ersten Sekunden des Kontakts mit dem Licht begann er zu schreien. Zuckungen durchliefen seinen Körper, ohne dass er offenbar in der Lage war, den Hörer fallen zu lassen.
Dann war es vorbei. Mit verrenkten Gliedmaßen brach Tribolet auf dem Teppich zusammen. Das geisterhafte Licht zog sich zurück, als sei es niemals da gewesen.
Zamorra ließ die Zeitschau abbrechen und sein Geist kehrte in die Gegenwart zurück. Nachdem er die letzte Schläfrigkeit abgeschüttelt hatte, wandte er sich seinen Freunden zu.
»Was immer ihn umgebracht hat«, erklärte er, »ist durch das Telefon gekommen.«
Robin nickte. »Wie bei dem ersten Toten«, stellte er fest. »Gougeon haben wir ebenfalls mit dem Hörer in der Hand gefunden.«
Der Chefinspektor schüttelte sich. »Was ist das für eine Macht, die ihre Opfer am Telefon umbringt?«, fragte er und schien sich sichtlich unwohl zu fühlen. Obwohl Robin schon eine ganze Menge erstaunlicher Dinge gesehen hatte, seit er mit Zamorra befreundet war, ging ihm der Fall nahe.
»Dämonen, Schwarzmagier, wer weiß?«, gab Nicole zurück und klopfte ihm aufmunternd auf die Schultern. »Wir werden es bald herausfinden.«
Sie konnte das Unbehagen des sonst so burschikosen Inspektors gut verstehen. Jeder Mensch telefonierte und niemand war davor sicher, ebenfalls auf diese Weise ins Jenseits befördert zu werden.
Der Parapsychologe überlegte einen Moment. »Pierre, versuch Tribolets letzte Anrufe zurückzuverfolgen. Wir müssen wissen, mit wem er gesprochen hat. Und dann suchen wir schleunigst die anderen Personen auf der Liste auf, bevor uns die Zeit davon läuft!«
Sie wussten, jederzeit konnte bei einem der anderen potenziellen Opfer ebenfalls das Telefon klingeln. Eilig machten sie sich an die Arbeit.
***
Jenseits der Fleischwelt stieß ein geisterhaftes Wesen einen lautlosen Wutschrei aus, als es mit seinen magischen Sinnen Zamorras Einmischung registrierte.
Bisher hatte es sich ungehemmt seinem heißen Durst nach Rache hingeben können, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Das Auftreten des Amulettträgers änderte alles.
Das Geschöpf spürte eine gewisse Neugier auf den Fremden in sich aufsteigen. Vielleicht wäre es nicht unklug gewesen, sich näher
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