0809 - Dämonenverschwörung
Hank«, nickte Cyrana. Nur eine Sekunde lang überlegte sie, ob sie Wilson der Höflichkeit wegen hereinbitten sollte, doch sie war momentan nicht in der Stimmung, sich mit jemandem zu unterhalten.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte Wilson.
»Könnte besser sein… hören Sie, Hank, aber im Augenblick möchte ich wirklich nicht…«
»Ich habe Ihren Vater gesehen, bevor er ging«, unterbrach sie der Nachbar.
Cyrana hielt inne. »Kommen Sie bitte herein«, sagte sie nun doch, und zur Unterstreichung ihrer Worte fasste sie ihn am Ärmel und zog ihn einfach über die Schwelle.
»Es sieht hier ja noch ganz passabel aus«, kommentierte Wilson, als er sich die Einrichtung ansah. »Ich meine, nach dem Vorfall vorgestern.«
Cyrana blieb an der Tür stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Haben Sie Dad noch gesprochen?«
Wilson drehte sich zu ihr um. »Nur ein paar Worte.«
»Hat er gesagt, wo er hinwollte?«
»Nach Miami, sagte er«, erklärte Wilson, »aber er ist nicht über den Ocean Drive rausgefahren, sondern nach Norden.«
Cyrana runzelte die Stirn. »Nach Norden?«
»Ja, merkwürdig nicht? Meine Frau hat morgens beobachtet, wie Ihr Vater verschiedene Apparate in seinen Pickup geladen hat. Und dann haben gestern diese Cops eine Menge Fragen über Adam gestellt.«
»Cops?«, hakte Cyrana nach.
Wilson hob die Schultern. »Cops, FBI, CIA, was weiß ich…«
»Was wollten Sie, haben sie irgendetwas von Drogen erzählt?«
Wilson schüttelte den Kopf. »Nein, warum? Sie wollten alles über Adam und Sie wissen und fragten dauernd nach seinen Experimenten mit Pflanzen. Ich glaube sie vermuten, Ihr Vater hätte biologische Kampfstoffe aus Pflanzenextrakten entwickelt…«
Das wiederum wäre eine Sache, die schon das FBI beschäftigen würde , dachte Cyrana, aber warum erzählen sie Wilson und mir zwei verschiedene Stories?
»Was hat Ihr Vater wirklich ausgeheckt, Cy?«, wollte Wilson wissen.
Cyrana atmete tief durch. »Ich weiß es nicht… Es wäre besser, wenn Sie jetzt gehen, Mr. Wilson.«
»Wenn ich Ihnen noch helfen kann, dann…«
»Ich werde mich melden«, sagte sie nun eindringlicher. Endlich verstand Hank Wilson den Wink, dass sie in Ruhe gelassen werden wollte und zog sich zurück.
Cyrana Seth wartete, bis die Tür ins Schloss gefallen war, und handelte sofort. Sie stürmte die Treppe zur oberen Etage hinauf, betrat das Schlafzimmer ihres Vaters und wandte sich dem Bett zu. Ohne zu zögern griff sie nach der Matratze und zog sie vom Rahmen. Darunter kam eine Landkarte des Bundesstaates Florida zum Vorschein. Ihr Vater war der Ansicht, sie hätte dieses Versteck bisher nicht erspäht, vor allen Dingen, weil er sein Bett selbst zu beziehen pflegte. Doch vor einigen Monaten war sie durch Zufall darauf gestoßen, als Adam für ein paar Tage weggefahren war, um ›Feldforschung‹ zu betreiben, wie er sagte. Da hatte sie beim Säubern seines Zimmers die Karte entdeckt.
Eigentlich war nichts Ungewöhnliches an ihr, außer einer Markierung bei den Okeechobee Highlands. Darunter war eine Telefonnummer vermerkt. Cyrana nahm die Karte an sich und kehrte ins Erdgeschoss des Hauses zurück. Am Fuße der Treppe machte sie Halt, griff zum Telefon und wählte hastig die Nummer, die auf der Landkarte stand. Nach einem zweimaligen Freizeichen wurde abgenommen.
»Ja?«
Cyrana zögerte, weil sie die Stimme am anderen Ende der Leitung nicht kannte.
»Wer ist da?«, tönte es etwas lauter aus der Ohrmuschel.
»Hier ist… Cyrana… Cyrana Seth, ich suche meinen Vater - ist er vielleicht bei Ihnen?«
Ohne Vorwarnung legte der andere auf. Ungläubig blickte Cyrana den Hörer an. Viel zu erstaunt, um richtig wütend zu sein, wollte sie die Nummer ein zweites Mal anwählen, doch ihr Verstand sagte ihr, dass es keinen Unterschied machte, wie oft sie dort anrief. Das Verhalten des Gesprächsteilnehmers machte ihr nur zu deutlich, dass ihr Vater wirklich dort war. Wäre sie nur falsch verbunden gewesen, hätte man ihr zumindest einen Hinweis darauf gegeben, dass man weder sie noch ihren Dad kenne.
Cyrana entfaltete die Landkarte vollständig. Das Gebiet der Okeechobee Highlands war recht groß und von zahlreichen Sümpfen durchzogen. Es würde schwer sein, ihren Vater dort zu finden, aber sie hatte zumindest einen Anhaltspunkt. Entschlossen packte sie ein paar Sachen zusammen und schnappte sich den Autoschlüssel.
Da läutete es erneut an der Tür.
***
Ocean Boulevard, Küstenstraße A1-A, Ft. Lauderdale,
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