0809 - Das Schlangenkreuz
Hinter dem Altar hing das Geschenk des Bischofs an der Wand.
Domingo ging hin. Bei jedem Schritt versanken seine Füße in dem widerlichen Dreck.
Es war sogar Schlamm ausgekipptworden. Sie mussten ihn aus den Sümpfen geholt haben, denn er stank nach Moder und einem Leben, das es einmal gegeben hatte.
Er ging weiter auf die Wand hinter dem Altar zu. Und bei jedem Schritt wuchs seine Hoffnung. Gleichzeitig fing er an zu überlegen.
Warum hing eigentlich dieses Kreuz an der Wand? Weshalb hatten sie es nicht abgerissen, wie es auch mit den anderen Gegenständen und Bildern geschehen war?
Domingo blieb stehen. Nachdenklich runzelte er die Stirn. Er kam sich in seinem kleinen Gotteshaus so fremd vor, als hätte er es zum ersten Mal betreten.
Das Kreuz hing relativ hoch in der Nische an der Rückseite der Kapelle. Zwei schmale Fenster waren in das Mauerwerk eingelassen worden, durch beide fielen Lichtstreifen und trafen auch das alte Kreuz.
Es war kein normales Kreuz. Die Grundform hatte es zwar, auch war das untere Stück länger als das obere. Zudem war es aus Metall gefertigt worden, es schimmerte wie Gusseisen, aber in seiner Mitte breitete sich zusätzlich noch ein Stern aus. Diese Abkehr von der Schlichtheit hatte Domingo früher einmal bewundert. Heute dachte er anders darüber. Da war ihm die Form des Kreuzes nicht mehr geheuer. Nicht dass sie ihm feindlich vorgekommen wäre, er mochte sie plötzlich nicht mehr und fragte sich, ob es richtig gewesen war, in die Kirche zu gehen.
Gut, er konnte den Rückweg antreten, er würde es auch tun, doch zuvor wollte er das Kreuz nehmen. Domingo musste es einfach tun.
Er wäre sich sonst wie ein Schuft vorgekommen, wenn es ihm nicht gelungen wäre, wenigstens ein Teil aus dem früher von ihm so bewunderten Gotteshaus zu retten.
Dennoch spürte er die Furcht.
In seinem Innern flatterte es. Als er auf die rechte Hand schaute, sah er, dass die Finger leicht zitterten. In seiner Kehle steckte der Kloß fest. Er schmeckte nach Abfall und Moder, vielleicht auch nach Schwefelgasen, die sich in diesem Schlamm und Dreck hatten entwickeln können. Das Kreuz hing so hoch, dass er sich strecken musste, um es in die Hand zu nehmen.
Seine Hand zitterte stärker, als sie sich dem Gegenstand näherte.
Er biss sich vor Aufregung auf die Lippen. In seinem Hinterkopf tuckerte es, als hätte er noch an den Folgen eines leichten Schlags zu leiden.
Dann griff er zu.
Das Kreuz fühlte sich nicht anders an als sonst. Für einen Moment hatte er befürchtet, dass es vor seinen Augen zerplatzen könnte, doch es gelang ihm ohne Schwierigkeiten, es vom Haken zu nehmen und festzuhalten. Er senkte den rechten Arm und drehte sich um.
Nun schaute er vom Altar aus durch den Gang mit den Bänken, die zwar noch standen, aber ebenso verschmutzt waren wie der Gang zwischen ihnen. Das ganze Elend und die Tragweite dieser Besudelung und Zerstörung kamen Domingo zu Bewusstsein. Plötzlich hatte er auch keine Freude mehr daran, das Kreuz in der Hand zu halten. Er spürte das Gewicht an der rechten Seite und hatte zugleich das Gefühl einer Veränderung. Damit kam er nicht zurecht.
Domingo konnte es sich nicht erklären. Er hob den rechten Arm an und merkte jetzt, dass sich das untere Ende des Kreuzes leicht erwärmt hatte.
War das überhaupt möglich? Oder lag es nur daran, dass er in seiner Kircheein Fremder war und deshalb schwitzte?
Der Pater konnte keine Antwort darauf geben, aber er wollte das Kreuz aus der Kirche haben, und nur das allein zählte.
Genau zwei Schritte kam er weit, als es geschah. Er hatte den rechten Arm angehoben und berührte beinahe den Rand der Altarplatte, in diesem Moment hörte er das Zischen.
In einer Reflexbewegung riss er das Kreuz hoch.
Sein Gesicht verzerrte sich zur Fratze. Die Augen wurden groß wie nie. Schreie drangen aus seinem Mund, er hörte das Zischen, roch das verbrannte Fleisch an der Innenfläche seiner Hand, das alles war nur sekundär.
Er starrte einzig und allein auf das Kreuz und musste erkennen, wie weit das Böse bereits vorgedrungen war.
Aus dem verfremdeten Mittelteil war das breite Maul eines schlangenköpfigen Monstrums hervorgeschossen, um ihn zu vernichten…
***
Aleister Crowley – the Church of Hearts!
Wir wussten wenig, aber wir wussten genug, denn so weit hatte uns der neue Mitstreiter einweihen können. Suko und ich hatten Cranes Anruf in unserem Hotel entgegengenommen und waren wie vor den Kopf geschlagen.
Crowleys Satanisten
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