0809 - Das Schlangenkreuz
inneren Nervosität zu tun hatte.
Es war eine aus Holz gebaute Kirche. Nach der Fertigstellung war die Fassade weiß gestrichen worden, doch dieses Weiß war allmählich verblasst. Sie hatte Wind und Wetter Tribut zollen müssen, und über die helle Farbe hatte sich ein grünlicher Schimmer gelegt.
Pater Domingo hielt an und stieg aus. Als Fremder in einer fremden Umgebung, so kam er sich vor, als er den ersten Schritt von seinem Jeep wegging.
Der Druck aus seiner Kehle war nicht verschwunden. Im Gegenteil, er hatte sich noch verstärkt, und möglicherweise trugen auch dazu die leichten Kopfschmerzen bei.
Ein kleiner Glockenturm überragte das Kirchenschiff. Es befand sich nur eine Glocke darin. Wenn sie noch einmal läuten sollte, dann nur, um die Mitglieder dieser verfluchten Sekte zu rufen. Als Domingo daran dachte, spürte er die Wut in sich hochsteigen. Sie war wie ein Sturm, der kaum besänftigt werden konnte.
Bevor er sich der Tür näherte, schaute er sich noch einmal um. Es war niemand zu sehen, er hatte keine Verfolger gehabt, was ihn aber keineswegs beruhigte, er konnte sich gut vorstellen, dass sie ihn unter Kontrolle hielten.
Zu sehen waren sie nicht, aber zu spüren. Hätte man von ihm eine Erklärung verlangt, er hätte sie kaum geben können. Wahrscheinlich war er nur die einzige Person, die so etwas spürte, aber er merkte sehr genau, dass nichts mehr so war wie sonst.
Es lag etwas in der Luft.
Unheil…
Er schluckte, als er daran dachte. Der Druck hinter seiner Stirn nahm zu, er benebelte ihn, und der Pater registrierte dies als eine Folge seiner eigenen Furcht. Vor einer Stunde noch war sie nicht mehr als ein Stachel gewesen, nun aber hatte sie sich tief in seinem Innern festgesetzt und bohrte besonders stark in Magen und Kehle.
Der Eingang zur Kapelle bestand aus einer schlichten Tür, deren Farbe nicht mehr zu bestimmen war. Zu erkennen war aber noch das in das Holz geschnitzte Kreuz. Es war so standfest gewesen, dass es auch den Schmierereien getrotzt hatte. Über dem Kreuz waren Sprüche zu entziffern, die der Pater gar nicht lesen wollte, weil sie einfach zu schlimm waren und nicht in seine festgefügte Welt des Glaubens hineinpassten.
Dieser Angriff hatte den Glauben nicht erschüttern können, aber es tat ihm in der Seele weh, dies ansehen zu müssen. Dabei war die Schmiererei an der Tür nur der Anfang, in der kleinen Kirche sah es viel schlimmer aus.
Er ging die letzten Schritte und hielt den Kopf dabei gesenkt. Auf keinen Fall wollte er sich die Schmierereien aus der Nähe ansehen, es widerte ihn einfach an. Sein Herz klopfte schneller, als er die Hand auf die schwere Metallklinke legte.
Er öffnete die Tür. Wie damals quietschten die Angeln. An das Geräusch hatte er sich früher gewöhnt, an diesem Tag jedoch hörte es sich schlimm an, denn er hatte den Eindruck, als hätten sich an den Rändern der Tür kleine Höllengeschöpfe eingenistet, die ausschließlich nach ihm schreien, als wollten sie ihn willkommen heißen.
Es empfing ihn keine Kühle, sondern eine drückende, schwere, feuchte Luft, die wie Unrat zwischen den Wänden der kleinen Kirche lagerte.
Im Verhältnis zu ihrer Größe waren auch die Fenster gebaut worden. Ziemlich schmal und hoch. Im hereinfallenden Licht waren der Schmutz und der Unrat zu sehen, den die Satanisten in die Kapelle hineingebracht hatten.
Wo Schmutz seine Heimat hatte, da waren auch Ratten nicht weit.
Der Pater hörte das pfeifende Atmen der pelzigen Nager, er sah sie in der Nähe des Altars umherhuschen, und er spürte abermals die Tränen in seinen Augen, als er sich dem Ziel näherte. Der Altar war am schlimmsten zugerichtet worden. Die anderen hatten ihn regelrecht zertrümmert, ebenso alles, was sich in seiner Nähe befunden hatte. Da war nichts, aber auch gar nichts mehr heil geblieben, und der Pater stand vor dem Chaos. Der leere Blick bewies, dass er nichts begriff. Er kam sich so einsam und verloren vor. Es roch widerlich zwischen den beschmierten Wänden. Die Bilder lagen auf dem Boden. Sie waren abgerissen und zerfetzt worden. Man hatte auch die heiligen Symbole von den Wänden gerissen und sie in den Dreck hineingeschleudert.
Church of Hearts – Kirche der Herzen. Immer weniger konnte der Pater mit diesem Begriff anfangen.
Und doch existierte in all diesem Chaos ein Schimmer der Hoffnung. Seinetwegen war er gekommen, und seine Befürchtungen, das Kreuz könnte nicht mehr in der Kirche hängen, waren nicht eingetreten.
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