0809 - Mensch aus dem Nichts
Schiffes heulten auf.
Der silberschimmernde Diskus schob sich aus der Zone der beginnenden Dunkelheit hervor, stieg, zuerst langsam und dann immer schneller, wieder senkrecht hoch und ging in einen schrägen Steigflug über. Innerhalb von Minuten heulte und kreischte der Diskus hinauf in den fast purpurfarbenen Himmel und verschwand schließlich, nachdem der Überschallknall über das grüne, feuchtwarme Land hinweggedonnert war.
Stille...
Nach einiger Zeit fingen die kleinen und unsichtbaren Geschöpfe des Dschungels auf Wirgier, des dritten Planeten der blauen Sonne Soluman, wieder mit ihren Jagdschreien, dem Paarungsgebrüll, den vielen anderen Lauten an.
Der stechend grelle Kreis der Sonne näherte sich dem grünen, welligen Horizont.
Klappernde und pochende Geräusche waren zu hören.
Sie wirkten wie ein schneller Trommelwirbel. Die Klänge von Stimmen, die Interkosmo und terra-nisch sprachen, kamen aus den schmalen Schneisen, die von verschiedenen Punkten der umliegenden winzigen Siedlungen zum ehemaligen Raumhafen führten.
Die Gestalt im offenen Raumanzug begann sich stöhnend zu bewegen.
Einige Minuten später umstand ein Kreis von mehr als dreißig Frauen und Männern den ausgesetzten Fremdling. Sie waren auf Reittieren hierhergekommen, auf Wagen und drei von ihnen in einem altersschwachen, klapprigen Gleiter.
Tobby und David sprengten auf ihren knochigen Tieren heran, durchbrachen den Kreis und sprangen aus den Sätteln. Flüchtig und ohne besondere Herzlichkeit begrüßten sich die Planetarier.
Es gab keinen unter ihnen, der nicht von der täglichen Arbeit erschöpft war. Sie alle aus diesem Gebiet trafen sich sonst nur auf den Tauschmärkten.
„Habt ihr gesehen, wie es passiert ist?"
„Ja, ich war dort drüben", sagte der junge Farmer, der ein Ersatzteillager besaß, um das ihn jeder andere beneidete. „Der Diskus landete, drei Raumfahrer schleppten ihn hinaus und ließen ihn einfach fallen. Dann starteten sie wieder."
„So muß es gewesen sein. Sie haben den armen Chung Lo einfach fallen gelassen", stöhnte der Fremde mit dem schmalen Gesicht und den grauen, halblangen Haaren.
Seine grünen Augen richteten sich auf Tobby, die energisch zwei Frauen zur Seite schob und ihm half, aufzustehen. „Wo bin ich?"
„Auf Wirgier. Erdähnlicher dritter Planet der Sonne Soluman", sagte Tobby. „Ich bin Tobby Beugner.
Das ist mein Vater. Woher kommen Sie?"
„Ich habe nicht die geringste Ahnung. Aus einem Raumschiff.
Es zerstörte die Relaisstation, in der man mich ausgesetzt hat. Ich habe Hunger."
„Ihr Beruf?" erkundigte sich David und musterte den Mann. Er sah verwahrlost und erschöpft aus, Schrecken und Hunger kennzeichneten sein Gesicht mit einem mehrere Tage alten Bart.
„Ich bin Mechaniker", fing Chung Lo an. „Aber da sind noch andere ..." Er sah Tobbys Blick. Das hübsche junge Mädchen machte ihn noch nervöser und ängstlicher. Er hörte auf zu sprechen, und da sich keines der anderen Bewußtseine in den Vordergrund schob, wiederholte er: „Ja. Ich bin Mechaniker. Haben Sie nicht vielleicht eine Dusche und eine Matratze? Ich bin ziemlich am Ende." Tobby grinste ihn mit Verschwörermiene an.
Mechaniker, das war das Stichwort gewesen. Nichts brauchte die Farm dringender als jemanden, der alle möglichen Geräte reparieren konnte.
Sie packte Chung Lo an der Hand und zog ihn mit sich. Sie nickte den Umstehenden zu und verkündete nicht ohne Triumph: „Ich leihe ihn euch gern - später. Er ist arm dran. Daddy und ich kümmern uns schon um ihn."
Fast willenlos ließ Chung Lo alles mit sich geschehen.
Er wurde von Tobby zu einem der knurrenden Tiere gezogen. Tobby hielt den Zügel fest, und der weißhaarige Mann mit dem Bart half ihm, in den Sattel zu klettern. Chung Lo hielt sich mit beiden Händen am hölzernen Sattel-horn fest und spürte, wie sich Tobby mit einem Satz hinter ihn auf den schmalen Rücken des Tieres schwang.
Chung schaute in die Gesichter der Bewohner von Wirgier. Sie waren deutlich verwirrt, in einigen Mienen glaubte er deutlich, Furcht zu erkennen.
Tobby riß an den Zügeln, rief einige Worte, und beide Reittiere drehten sich mehrmals um die eigene Achse und fielen dann in einen kantigen Galopp. Durch die einsetzende Dunkelheit rasten die Tiere entlang eines kaum sichtbaren Weges.
„Sie sind alle total verblüfft!" rief der Vater über die Schulter zurück. „Mir geht es nicht anders", rief Chung Lo.
„Sie haben Angst, daß Maylpancer sie bestraft!"
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