081 - Der goldene Hades
habe nie jemandem auch nur ein Haar gekrümmt, wenn ich eine Sache verfolgte, die mich interessierte. Ich bin ein Betrüger -«, betonte er mit bescheidenem Stolz, »das gebe ich zu. Ich beschäftige mich mit alten Kulten und Geheimlehren und schlage Geld daraus, weil ich für die technischen Möglichkeiten des Okkulten ein besonderes Fingerspitzengefühl habe. Als ich mich vor zwei Jahren mit George Bertram darüber unterhielt, ob und wie die alten Götter auf die moderne Welt Einfluß nehmen könnten, hatte ich nicht die geringste Ahnung, daß noch einmal eine so große Sache daraus entstehen würde.«
»Ist er eigentlich verrückt?« fragte Tom.
»Das glaube ich nicht. Er ist nur sehr sensibel und beeinflußbar - außerhalb der Geschäftsstunden!«
Tom Scatwell lachte.
Der Professor strich seinen Bart, bevor er weitersprach.
»Ist ein Mann, der in Monte Carlo nach einem System spielt, vielleicht verrückt? Oder haltet ihr Leute für übergeschnappt, nur weil sie abergläubisch sind und zum Beispiel vor der Zahl Dreizehn Respekt haben oder nicht unter einer Leiter durchgehen wollen? Oder weil sie sich bekreuzigen, wenn sie ein scheckiges Pferd sehen? Vielleicht ist das tatsächlich eine Art Wahnsinn. Aber Bertram ist nicht geisteskrank, er hat nur eine schwache ...«
Es klingelte. Sam erhob sich, schlüpfte in seinen Livreerock und ging hinaus.
21
Sam Featherstone kam nach wenigen Minuten ins Wohnzimmer zurück.
»Der Portier hat den Glaser heraufgebracht -«, meldete er, und als Rosie begann, eilig seine Schürze abzunehmen, winkte er ab: »Nur keine Hast - der Mann hat weiter keine Bedeutung. Aber wie war das nun eigentlich, als die Fensterscheiben eingeschlagen wurden?«
»Es ist nicht zu glauben!« klagte Rosie. »Drei an einem Nachmittag - es ist unerhört. Und doch sagt man, daß New York die beste Polizei der Welt habe.«
»Es gehört schon allerhand dazu, ein Fenster im dritten Stock einzuschlagen«, brummte Scatwell, der in Wirklichkeit Haushaltsvorstand war. »Die Kerle müssen Schleudern benützt haben.«
»Es war ein außergewöhnlicher Zwischenfall«, bemerkte Rosie. »Ich saß am Tisch und las zum drittenmal den entzückenden Band von Gibbon - du müßtest ihn unbedingt auch lesen, Tom, der Stil ist flüssig und klar, der Aufbau tadellos -, da kracht plötzlich die Scheibe. Ich sprang sofort auf die Füße . . .«
»Ach, mach es doch kurz!« fuhr ihn Tom an. »Niemand erwartet, daß du auf den Kopf gesprungen bist. Hast du gesehen, wer es getan hat?«
»Nein«, antwortete Rosie gekränkt.
Scatwell glitt vom Tisch herunter und ging in Rosies Bibliothekszimmer hinüber. Ein schlanker Mann mit dunkler Hautfarbe und dichtem, schwarzem Haar arbeitete an dem zerbrochenen Fenster. Er schien sich mindestens eine Woche lang nicht rasiert zu haben.
Scatwell, der nur selten die Fassung verlor, blieb sprachlos und verwirrt stehen, als er ihn erblickte, denn dieser Handwerker sah dem Mann täuschend ähnlich, den er als seinen größten und gefährlichsten Feind betrachtete.
»Hallo, Wopsy!« sagte er schließlich aufs Geratewohl. »Wie lange werden Sie zu tun haben?«
Der Mann grinste und schüttelte den Kopf. Dann zog er eine befleckte und beschmutzte Karte aus seiner Bluse und reichte sie Scatwell.
›Dieser Mann spricht nicht Englisch‹, las Tom.
»Kommen Sie aus Italien?« fragte er auf italienisch.
Er hatte sich einmal vier Jahre lang in Neapel versteckt gehalten und die Zeit genutzt, um seine Sprachkenntnisse zu erweitern.
»Ja«, sagte der Mann sofort. »Ich bin erst seit einem Monat in den Vereinigten Staaten. Kam direkt von Strezza zu meinem Bruder, der hier ein gutes Geschäft hat. Es ist schön, wieder einmal die Muttersprache zu hören. Mein Bruder spricht meist nur Amerikanisch und alle seine Freunde auch.«
»Würden Sie gern viel Geld verdienen?« fragte Scatwell, dem plötzlich ein Gedanke gekommen war.
»Natürlich würde ich gern viel Geld verdienen und dann in meine Heimat nach Strezza zurückkehren. Meine Frau ist nicht mitgekommen - ich habe ihr versprochen, daß ich in drei Jahren wieder bei ihr bin. Ja, ich würde alles tun für Geld, vorausgesetzt, daß es sich um eine anständige, ehrliche Beschäftigung handelt. Ich stamme aus einer achtbaren Familie und ...«
»Deshalb brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, versicherte Tom. »Ich möchte nur einem Freund gern einen kleinen Streich spielen, verstehen Sie? Und dabei könnten Sie mir vielleicht helfen.«
Er
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