081 - Hexentanz
von Ihnen verlangt und erwartet? So etwas gibt es doch? Ich meine, ich bin kein Fachmann, aber jeder hat doch von Fällen gehört, in denen sich jemand eine Krankheit einbildete und tatsächlich alle entsprechenden Symptome zeigte.«
»Ich weiß, was Sie meinen. Aber erklärt das zum Beispiel das Verschwinden des Kreuzritterschwertes? Jahrelang hat es dort an der Wand gehangen. Es wurde von Generation zu Generation vererbt. Jetzt ist es verschwunden. Ich habe es nicht beiseite geschafft. Das wissen Sie genau. Wie wollen Sie dieses Phänomen erklären? Etwa auch durch Psychologie?«
»Richtig«, nickte ich. »Allerdings durch Parapsychologie. Wir holen einen Experten. Er wird uns zur Seite stehen. Es gibt auch Fachleute für Grenzbezirke der Wissenschaft. Jemanden, der sich in Psychokinese auskennt, Telepathie und Apport.«
Nachdenklich nippte Armand Clouet von seinem Cognac.
»Und wo wollen Sie den hernehmen?«
Ich zuckte die Achsel.
»Vielleicht weiß Ihre Mutter eine einschlägige Adresse?«
»Das glaube ich nicht. Sie hätte es längst versucht. Seit Jahren tut sie alles, um mir zu helfen. Sie hat sich mit Schwarzer Magie befaßt, seit ich drei Jahre alt bin. Alles ohne Erfolg. Ehrlich gesagt, ich habe gehofft, Sie würden mir beistehen. Sie machen einen so ruhigen und gelassenen Eindruck. Ich sehe mich getäuscht. Ich bin um eine Hoffnung ärmer.«
Der junge Mann verbarg sein Gericht in den Händen.
»Ich sehe keinen Ausweg. Außerdem ist es für wirksame Gegenmaßnahmen zu spät. Ich gebe auf. Ich resigniere. Ich möchte nicht sterben aber ich werde umkommen. Morgen nacht bereits.«
Soviel Gewißheit sprach aus seiner Stimme, daß ich erschrak.
Ich war heilfroh, daß es nicht mein Leben war, das unter einem solch entsetzlichen Fluch stand. Krankheit, Naturkatastrophen – der Mensch nimmt sie hin. Nicht aber das Unrecht, das einer dem anderen zufügt. Denn jeder nimmt an, daß es vermeidbar ist. Aber war dieser Dämon etwas Irdisches? Konnte man ihn überhaupt mit menschlichen Maßstäben messen?
Ich mußte bis Bouillon in Belgien kommen, um das erstemal in meinem Leben mit etwas Berührung zu bekommen, das mit Logik nicht mehr erklärt werden konnte, das sich jeder Beurteilung jeder Einschätzung entzog. Da war es wieder, das Gefühl, das mich in den vergangenen Stunden so häufig geplagt hatte. Eine brisante Mischung aus Angst, Hoffnung und, Hilflosigkeit, gepaart mit Mitleid und Neugierde.
»Wir können nichts machen«, erklärte Armand Clouet.
Keine Spur von Hoffnung klang aus seinen Worten.
Ich schaute mich in seinem Zimmer um. Natürlich war es vollgestopft mit dem Mummenschanz, den Claire Clouet aus ihren obskuren Büchern gelernt hatte. Seltsame Kreidezeichnungen, Salamanderblut. Auf der Fensterbank lag wirklich und wahrhaftig ein Grabtuch, das ein Kreuz aus Asche trug. Daneben entdeckte ich einen sogenannten Magnetstein. der bereits den Ägyptern und Griechen bekannt war. Der Klumpen war eisenschwarz, metallisch glänzend und stark magnetisch. Wahrscheinlich sollte er eine Kraft ausstrahlen, die Dämonen und böse Geister zurückhielt, sich in diesem Raum ein Opfer zu suchen.
»Ich halte auch nichts davon«, lächelte Armand Clouet.
»Es ist nur ein Zeichen der Hilflosigkeit«, nickte ich.
»Meine Mutter läßt eben nichts unversucht, um mich über die Runden zu bringen. Und je näher der Tag rückt, desto wunderlicher wird sie. Die Sorge bringt sie noch um den Verstand.«
Armand Clouet geleitete mich zur Tür.
»Sie werden verstehen, daß ich lieber allein bleibe«, meinte er. »Darf ich Sie übrigens morgen zu einer kleinen Feier einladen – anläßlich meines dreißigsten Geburtstages? Für mich wird es wohl eine Henkersmahlzeit. Aber Sie als Außenstehender...«
Er schaute mich aufmerksam an.
Ich begriff, daß er Immer noch suchte, welches Motiv mich dazu trieb, ihm helfen zu wollen. Er hatte zuviel Gleichgültigkeit kennengelernt. Oder allenfalls blankes Entsetzen vor dem, was ihm beschieden war. Natürlich wußte jeder in diesem Ort von dem Fluch, unter dem die männlichen Nachfahren jenes Pierre Clouets standen. Seltsamerweise hatten die jeweiligen Ehefrauen immer Knaben als Erstgeburt zu verzeichnen und – falls überhaupt weitere Kinder folgten – nur noch Mädchen. Ich hatte es anhand des Familienstammbaumes herausgefunden. Aber natürlich mochte das ein Zufall sein. Obgleich ich nicht mehr daran glaubte. Zuviel war geschehen. Was erwartete uns noch ?
Ich ging auf
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