0810 - Der Geist des Hexers
erschöpft gewesen, doch nun, am Ziel ihrer Menschenjagd, spürten sie, dass sich alles zum Besseren wenden würde, denn sie hatten einen Erfolg gehabt, und nur das zählte.
Jeden einzelnen blickte Turon an. Er brauchte die Frage nicht zu stellen, sie war in seinen Augen abzulesen, und jeder, den er anblickte, nickte.
Sie waren bereit.
Niemand stand gegen ihn.
Sie würden ihm helfen.
Turon atmete tief durch. »Wie Moses einstens das Volk Israel aus der Gefangenschaft führte, so bin auch ich jetzt eurer Führer in der Fremde. Und wie damals, als das Volk sich seine eigenen Gesetze machte, so werden auch wir unsere Gesetze haben und dafür sorgen, dass derjenige von uns bestraft wird, der sich der Hölle verschrieben hat. Wir werden nie mehr zurück in die Heimat finden. Wir werden in diesem fremden Land bleiben, uns wohl auch vermehren, aber wir werden unseren Herrgott niemals vergessen. Wir werden nach den Regeln leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wer dem Teufel dient, hat sein Leben verwirkt.«
Niemand klatschte Beifall, doch jeder Angesprochene war einverstanden. Er bewies dies durch sein Nicken.
Rodney Turon war zufrieden. »Ich weiß, dass eine schwere Aufgabe vor mir liegt, meine Freunde. Ich bin euer Anführer. Ich habe Rechte und auch Pflichten. Ich bin entschlossen, beides wahrzunehmen, in diesem Fall beginne ich mit den Pflichten. Ich werde es sein, der die gerechte Strafe verteilt. Ich werde ihm das Herz aus dem Körper treiben, den zweiten Ursprung des Bösen. Seine Seele bekomme ich nicht, aber wer mit der Seele bei Satan ist, der ist es auch mit dem Herzen. Die Seele ist göttlich, das Herz nicht. Also werde ich es tun.«
»Ja«, sagte ein alter Mann, der sich an seinem Pferd abstützen musste. Der zweite Tote war sein Sohn gewesen. »Tu es, Rodney. Wenn du es nicht getan hättest, dann wäre ich hingegangen und hätte das Messer genommen. Verstehst du?«
»Danke, mein Freund.«
Rodney Turon drehte sich wieder um. Auch sein rechter Arm bewegte sich dabei. Die Hand fand das Ziel an der linken Körperseite, denn dort steckte die Waffe.
Es war ein breites Messer. Der Holzgriff schaute aus der Scheide hervor. Jeder kannte die Waffe. Damit hatte Rodney Turon oft Tiere erlegt, somit für den Nachschub gesorgt.
Er ging auf den Verletzten zu.
Henry St. Clair hatte jedes Wort gehört, und er wusste, wie gering seine Chancen waren. Dennoch gab er sich gelassen, redete nicht, sondern schaute dem Bärtigen von unten her schräg in das Gesicht.
»Ich wünsche dir die Pest an den Hals, Turon!«
Rodney nickte. »Das kann ich sogar verstehen, nur wird dein Wunsch wohl so schnell nicht in Erfüllung gehen. Aber ich werde dir etwas sagen. Es macht mir keinen Spaß, dich so zu bestrafen, aber ich denke auch, dass du dem Dämon nicht abschwören wirst.«
»So ist es.«
»Und deshalb muss ich es tun. Ich werde dich auch nicht niederschlagen, denn ich gehe nach den alten Regeln vor. Dein Blut wird das andere Blut der Unschuldigen sühnen. Es ist vergossen worden, und ich hasse es, dass es so gekommen ist, aber es gibt keinen anderen Weg, um das Böse zu vertreiben.«
St. Clair musste einfach lachen. Es drang als meckerndes Geräusch aus seinem Mund. »Du wirst dich wundern, Turon, sehr wundern sogar. Glaube nur nicht, dass dir alles gelingen wird. Du hast die Kräfte der Hölle unterschätzt. Sie sind sehr mächtig, und sie werden den Gegenpol zu deinem Gott bilden. Ich bin davon überzeugt, dass sie mich schützen, nicht dich. Du kannst dich nicht auf sie verlassen, aber ich kann, das verspreche ich dir. Der Teufel ist eine Macht, Satan ist die Hölle, die Hölle ist Satan oder Baphomet. Sein Geist wird mich beschützen, er wird mich rächen, irgendwann einmal. Und dann wird sein Geist über eure Nachfolger kommen, über eure Generationen. Denke an sie und überlege es dir gut, Rodney Turon.«
Der bärtige Mann, der wie ein Prophet aus vorbiblischer Zeit wirkte, schüttelte den Kopf. Sein Hass war wie eine Peitsche, die ihn vorantrieb, und er mischte sich bei ihm mit der biblischen Gerechtigkeit. Er hielt den Arm erhoben und das Messer so, dass die Klinge schräg nach unten wies. Dabei zeigte die Spitze auf den Körper des halb Liegenden.
»Dein Herz!«, forderte Turon.
»Ja!«, brüllte Henry St. Clair. »Nimm es dir. Schneide es mir aus dem Körper, aber ich sage dir noch einmal, das es euch nichts bringen wird. Ich bin stärker…«
Turon ließ sich nicht abbringen. Er bückte sich. Es sah
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