0811 - Dämonensplitter
sie gewesen. Kein Wunder, dass ihr Körper rebellierte.
Der Weg von der Hütte bis zur nächsten Landstraße war bereits eine Tortur für Khira gewesen. Mirjad ließ sie dort eine Pause einlegen, und die Kleinwüchsige war gegen einen Baum gelehnt eingeschlafen. Als Mirjad sie weckte und zu dem Traktor führte, hatte Khira keine Fragen gestellt. Der Bauer hatte ihr einen nachdenklichen Blick zugeworfen, doch dann hatte er ihr sogar beim Aufsteigen geholfen. Man fragte hier nicht lange - man half oder ging seines Weges.
»Sie suchen nach uns.« Mirjad wiederholte den Satz, und Khira fürchtete, dass das Mädchen sich in einen Wunschtraum hineinsteigerte. Sie wollte die Nachfolge ihres Vaters antreten - dem Bandit d’honneur. Mirjad wollte ihn rächen, die Ehre ihrer Familie wieder herstellen. Sie trug ihre ganz persönhche Vendetta aus. Eine Blutrache zwischen ihr und den Vampiren.
Und Khira steckte zwischen den Fronten.
»Und sie werden uns auch finden.« Mirjad warf einen Blick über die Schulter nach Khira. »Aber keine Sorge. Ich werde mit ihnen fertig. Außerdem schaffe ich dich rechtzeitig in ein Krankenhaus. Unser Chauffeur hier bringt uns in sein Dorf. Habe ich alles mit ihm abgeklärt. Eine Nacht können wir in seinem Stall verbringen. Und morgen, in aller Frühe, brechen wir nach Bastia auf. Die haben da ein Krankenhaus.«
Khira war zu schwach, um zu antworten. Bis morgen musste sie also noch durchhalten. Irgendwie hatte sie auf schnellere Hilfe gehofft, doch wenn es nicht anders ging, dann würde sie auch das noch irgendwie schaffen.
Schnelle Hilfe… Sicherheit vor den Blutsaugern, vor ihrem Anführer, dem Maitre. Es gab Menschen, die ihr die gewähren könnten…
In Khiras Kopf kämpften Schmerz und Erinnerungen einen bitteren Kampf gegeneinander. Der Schmerz war und blieb Sieger. Es waren nur vage Ahnungen, die sich einen Weg durch die Pein erschlichen. Ahnungen von einem toten Freund, einer entsetzlichen Statue. Und von einem großen Mann - einem, der ihr Sicherheit vermittelt hatte. Sein Gesicht blieb hinter einem Schleier verborgen, ebenso wie die Gesichter eines Pärchens, das einen endlosen Kampf gegen das Böse führte. Ein Mann, eine Frau… Khira schaffte es einfach nicht, ihnen Namen und Persönlichkeit zuzuordnen.
Noch vor der Dämmerung erreichten sie das Dorf, von dem Mirjad gesprochen hatte.
Sie folgten dem schweigsamen Bauern in das hell erleuchtete Haus.
Khira konnte nicht sagen, womit sie hier gerechnet hatte. Korsika war ganz sicher eine Welt für sich. Immer lag so etwas wie ein geheimnisvoller Touch in der Luft, wenn man von der Insel redete. Kaum ein zweites Eiland hatte eine so wechselvolle und unruhige Geschichte vorzuweisen wie Korsika. Und irgendwie hatte zumindest Khira eine eher mittelalterliche Vorstellung der Insel und deren Bewohner gehabt.
Das Haus war einfach und kompakt gebaut. Es war alt, das ließ sich nicht leugnen, doch nachdem sich die Tür hinter den beiden Neuankömmlingen geschlossen hatte, kam in Khira ein Hauch von coming home -Gefühl auf.
Das große Esszimmer, in das die kräftig gebaute Frau des Hauses die beiden führte, war in warmen Farben gehalten; überall verteilt waren Stehlampen und Deckenfluter, die ein anheimelndes Licht verbreiteten. Kaltes Neon suchte man hier vergebens. Um den ovalen Tisch standen ein Dutzend Stühle, auf denen acht Kinder saßen, die Khira und Mirjad entgegenstierten, neugierig, wer da wohl angekommen sein mochte.
»Wir essen gleich, aber ihr werdet euch sicher erst frisch machen wollen, oder?« Die Frau hatte pechschwarze Haare mit der einen oder anderen grauen Strähne durchsetzt, die in einem Zopf gebunden waren. Man sah ihrem Gesicht an, dass sie ihr Leben mit harter Hofarbeit und dem Erziehen eines ganzen Stalls von Kindern verbracht hatte. Doch ihre Augen waren quicklebendig und freundlich.
Minuten später genoss Khira die Dusche, die sie für kurze Zeit jeden Schmerz und die Angst vergessen ließ. Nur ihr laut knurrender Magen brachte sie aus der modernen Nasszelle heraus. Von wegen Mittelalter. Die Leute hier waren einfach, aber äußerst modern eingerichtet. Es fehlte an nichts.
Khira freute sich wie ein Kind auf ein warmes Essen.
Als sie ihre Kleidbluse überzog, sah sie Mirjad, die die Klinge ihres monströsen Messers betrachtete. In ihrem Blick lagen Argwohn und Wachsamkeit.
»Das läuft mir hier alles ein wenig zu gut.« Sie sah Khira an, doch die Kleinwüchsige konnte Mirjads Misstrauen nicht
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