0811 - Dämonensplitter
brauchte die Großstadt ab und an, und Zamorra fiel nicht im Traum ein, ihr dieses Vergnügen zu nehmen. Manchmal musste auch er ein ganz eigenes Parfüm riechen, einen Duft, den man nur in die Nase bekam, wenn man sich in den Trubel einer Millionenstadt stürzte.
Livorno - Zamorra erinnerte sich. In den-TV-News und in Zeitungen war groß darüber berichtet worden. Livorno war eine italienische Hafenstadt. Und genau in diesem Hafen hatte es vor wenigen Tagen eine ungeheure Detonation gegeben. Vierzehn Menschen hatten ihr Leben verloren, mehr als fünfzig weitere lagen in Krankenhäusern und schwebten teils in Lebensgefahr.
Zamorra erinnerte sich an die dazugehörigen Bilder. Reste einer Lagerhalle - überall Blut - Krankenwagen… Doch die Ruine selbst hatte einen merkwürdigen Eindruck gemacht. Zamorra konnte sich nicht entsinnen, Rauch gesehen zu haben. Und die Bruchkanten an der Halle, die überaus deutlich zu sehen waren, machten einen seltsam glatten Eindruck. Kanten, die durch eine heftige Explosion entstanden waren, sahen anders aus.
Der Pressesprecher der italienischen Polizei sprach dann auch von einem wahrscheinlichem Attentat mit terroristischem Hintergrund. Details konnte und wollte er aber nicht nennen. Es entsprach dem momentanen Zeitgeist, dass jeder gleich den internationalen Terrorismus bemühte, wenn irgendetwas geschah, das nicht sofort einwandfrei zuzuordnen war.
Bekennerbriefe gab es jedenfalls keine. Und wenn doch - irgendeine Organisation versuchte immer, sich in den Vordergrund zu schieben, die Aufmerksamkeit auf ihre Anliegen zu lenken. Selbst dann, wenn sie nun wirklich überhaupt nichts mit der Sache zu tun hatte.
»Er nähert sich seinem Ziel.« Laertes schien sich seiner Sache sicher. »Morano hält Khira wahrscheinlich irgendwo in Italien gefangen. Wir müssen dem Grauen auf der Spur bleiben, Zamorra. Vielleicht kann dein Amulett uns helfen, wenn ich dich nach Livorno bringe.« Der Vampir, der Merlins Stern fürchtete, sprach auf die Zeitschau an. Und Zamorra fragte sich, wie Laertes von solchen Details wissen konnte.
»Dazu ist die Explosion bereits zu lange her. Außerdem…«
Nicole Duval tauchte plötzlich neben dem Parapsychologe auf. Es war kaum anzunehmen, dass sie ihre Duftwasserjagd bereits beendet hatte. Es musste andere Gründe geben, die sie hierher getrieben hatten. Mit langen Vorreden hielt sie sich nicht auf.
»Kommt mit!« Nicole wandte sich um und war im nächsten Augenblick in der Menschenmenge verschwunden. Zamorra und Dalius Laertes hatten Mühe, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Doch schon eine Straßenecke weiter blieb Nicole vor einem Elektromarkt stehen.
Es war einer dieser Riesenmärkte, die jeden Einzelhändler in ihrem Dunstkreis gnadenlos auffraßen, ihn sich einverleibten und Arbeitslose und gescheiterte Existenzen hinterließen. Niemand konnte gegen ihre Preispolitik ankommen. Und selbst die treuesten Kunden liefen ihrem kleinen Händler irgendwann davon und gingen zur Konkurrenz, wenn sie dort sparen konnten.
Das Schaufenster, vor dem Nicole stehen geblieben war, war gut und gern fünfzehn Meter breit und war nahtlos mit einer gewaltigen Wand von Fernsehgeräten gespickt. Monitor reihte sich an Monitor - und immer gut ein Dutzend der Geräte war mit einer technischen Spielerei zusammengeschaltet. So ergab sich immer ein riesiges Bild, das ein bestimmtes Programm zeigte. Eine dieser Monitorwände war auf France2 eingestellt und zeigte aktuelle Nachrichten aus Europa.
Nicole wandte sich zu Zamorra und Laertes, die sich neben ihr aufgestellt hatten. »Hört genau hin. Die Meldung kommt sicher gleich.«
Sie mussten nicht lange warten. Die Bilder zeigten ein unter Flutlicht stehendes Fußballstadion. Zamorra konnte es keinem der in Frankreich bekannten Clubs zuordnen. Die Kamera zoomte heran. Und dann konnten sie es deutlich sehen: ein Loch. Ein gewaltiges Loch, als hätte ein Riese in die Zuschauerränge getreten.
Die Stimme des Reporters klang bedrückt.
Das Stade Armand Cesari, Stadion des SC BASTIA, des korsischen Vertreters in der ersten französischen Fußball-Liga, wurde am gestrigen Abend zu einem Ort des Grauens. In der ersten Halbzeit des Nachholspiels gegen den AJ AUXERRE erschütterte eine ungeheure Detonation die Grundfesten des Stadions.
Die Kameraeinstellung änderte sich in der nächsten Sekunde. Mit Entsetzen sah Zamorra, dass zwischen der Haupttribüne und der Nordkurve auf sicher zwanzig Metern Breite eine unglaubliche
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