0811 - Dämonensplitter
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»Ich bin jedenfalls dankbar, dass die Leute so freundlich zu uns sind. Und Hunger habe ich auch. Ich kann mich kaum erinnern, wann ich das letzte Mal etwas gegessen habe. Also komm schon, schließlich warst du es, die das hier organisiert hat.«
Mirjad nickte und folgte Khira die Treppe hinunter.
Das Essen war einfach, aber mehr als reichlich. Khira konnte sich nicht entsinnen, je einen besseren Eintopf gegessen zu haben. Und der Ziegenkäse, den man hier Brucciu nannte, übertraf alles, was sie in dieser Richtung jemals gekostet hatte. Nur die Fleischbrocken, die hier und da im Eintopf zu finden waren, legte sie mit einem entschuldigenden Achselzucken an den Tellerrand.
Ich esse also kein Fleisch, aber Käse verschmähe ich nicht…
»So, nun legen wir uns zum Schlafen hin, wenn es Ihnen recht ist.« Mirjad drängte, nachdem sie zuvor lustlos in ihrer Terrine herumgestochert hatte. Khira hätte noch gern ein wenig mit den Leuten geredet. Vielleicht konnten sie ihnen noch weiterhelfen? Aber Mirjad bestand auf sofortige Beendigung des Abends.
Der Bauer brachte die Frauen zu der Scheune. Im Haus, so hatte seine Frau sich noch einmal entschuldigt, war tatsächlich kein freier Schlafplatz mehr. Khira war das gleich. Sie wollte sich nur hinlegen und schlafen - ganz gleich, ob ihr Kopf auf einem weichen Kissen oder auf Stroh lag.
Selbst im Stall gab es elektrisches Licht. Als die beiden allein waren, breitete Khira erschöpft die Decken auf dem stacheligen Untergrund aus. Sie sehnte sich nach Ruhe. Und wenn es auch nur wenige Stunden waren.
Mirjad machte keine Anstalten, sich so etwas wie ein Nachtlager zu richten. Ihre ganze Körperhaltung drückte Spannung und Unruhe aus, als sie durch die Zwischenräume in der Holztür nach draußen spähte.
»Glaubst du, die Vampire finden uns heute Nacht?« Khira wusste, dass die Finsternis die Zeit der Blutsauger war.
»Schlaf jetzt besser!« Mirjad drehte sich nicht einmal zu ihr um. »Wer oder was uns auch heute Nacht stören mag - es muss an mir vorbei. Also schlaf.«
Bevor Khira die Augen zufielen, dachte sie noch, dass Mirjad sicher nicht anders konnte. Zu tief saß das Misstrauen in ihr.
Dann siegte der Schlaf über den dröhnenden Schmerz in Khiras Kopf…
***
Es vergingen einige Tage, ehe sich Dalius Laertes erneut bei Zamorra im Château Montagne meldete.
Nach dem gemeinsamen New-York-Trip hatten sich ihre Wege wieder getrennt. Und Zamorra hatte dabei zwiespältige Gefühle. Zum einen lag ihm nicht viel an der Nähe und der Zusammenarbeit mit einem Vampir, selbst wenn dieser ganz andere Wege zu gehen versuchte, als es Sarkana oder Tan Morano taten.
Es mochten in einem Dalius Laertes ganz neue Ansätze und Perspektiven für die Zukunft existieren. Vielleicht ähnlich wie bei Fu-Long, der in Kuang-shis Welt zurückgeblieben war… Zamorra wollte das nicht bestreiten. Doch auch dann war und blieb er ein Vampir. Oft hatte der Parapsychologe Gryfs meist gewalttätiges Vorgehen gegen das Nachtvolk mit Skepsis betrachtet, doch so ganz weit entfernt von der Denkweise des Druiden war er selber nicht.
Zu viele Opfer der Blutsauger hatte er in seinem Leben sehen müssen.
Zu viele Männer und Frauen, Mütter und Väter, die um ihre unschuldig getöteten Kinder geweint hatten. Die nicht einmal ansatzweise verstehen konnten, warum ihre Lieben hatten sterben müssen.
Verständnis? Nein, das konnte und durfte es für die Vampire nicht geben!
Erst recht dann nicht, wenn sie sich unter der Herrschaft eines Sarkana befanden.
Zum anderen jedoch wusste Zamorra, dass Laertes’ Chancen, den Weg des Grauen zu verfolgen, um einiges größer waren als seine eigenen. Und Zamorra wusste, dass Laertes wirklich viel an Khira Stolt gelegen war. Wenn es eine Spur gab, dann würde er sie finden.
Da Zamorra stets aufmerksam die Weltnachrichten verfolgte, war er nicht sonderlich erstaunt, mit welchem Ereignis Laertes das neuerliche Auftauchen des Grauen in Verbindung brachte.
»Er ist in Europa. Das so genannte Unglück in Livorno trägt seine Handschrift.« Laertes bewegte sich so schwebend neben Zamorra, als würde der Vampir den Boden überhaupt nicht berühren.
Der Parapsychologe hatte einem Treffen in Paris zugestimmt, da sich das mit seinen und Nicoles Plänen deckte. Es gab immer wieder Dinge, die man selbst in der heutigen Zeit nicht vom Computer aus erledigen konnte. Und wenn es nur um ein neues Parfüm ging - online schnuppern gab es leider noch nicht.
Nicole
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