0811 - Dämonensplitter
lassen. Nicht auf alle Vampire hatten ihre Tränen die gleiche verheerende Wirkung. Es hätte sich schon der richtige gefunden, um diesen Auftrag auszuführen.
Doch das war vorüber. Er musste sich mit der Situation abfinden, die nun einmal die Realität für ihn war.
Sarkana schrak hoch. In seine Grübelei versunken, war er zum wiederholten Mal in eine Art Dämmerzustand verfallen. Der-Vampirdämon riss sich zusammen. Alles schien um ihn herum zusammenzubrechen - die grässliche Wunde, das beinahe völlig zerstörte Refugium… und nun diese unerklärlichen Aussetzer!
Die Erkenntnis kam mit brutaler Klarheit über den Herrn der Vampire.
Er sah die Bilder direkt vor sich: das Atelier des Aaron Cassianus, die Statue… den Moment, in dem die Kleinwüchsige in das Kunstwerk gerissen wurde… und dann wieder nur das Gebilde aus schwarzem Stein, geschaffen von genialer Künstlerhand. Die Statue, in die Sarkana einen Teil seiner selbst projiziert hatte!
Er hatte sie schlicht und einfach vergessen. Die Schmerzen hatten seinen ansonsten glasklaren Verstand vernebelt.
Sarkanas Schrei war eine Mischung aus Wut und-Verzweiflung - und er drang tief in die Schwefelklüfte. Seine Niederlage, die Wunde, all das hatte ihn einen Fehler begehen lassen, den er vielleicht jetzt nicht mehr korrigieren konnte.
Durch den Körper des uralten Wesens ging ein Ruck. Er musste handeln.
Schnell und ohne dabei einen neuerlichen Fehler zu begehen. Die Statue musste her! Er wusste nur zu genau, dass er in seiner augenblicklichen Verfassung den Kontakt zur Welt der Menschen nicht von hier aus hersteilen konnte. Dazu waren Kraft und absolute Konzentration erforderlich. Über beides verfügte er nicht in ausreichendem Maße.
Ein für ihn ungewohntes Gefühl - und er hasste es!
Vertrauen konnte er niemandem. Es gab nur einen einzigen Weg, um den fehlenden Teil wieder in sich aufzunehmen. Sarkana musste sein Refugium verlassen und in die Menschenwelt wechseln. Es würde ihn eine Menge Kraft kosten, doch er sah keine Alternative.
Er würde sich unauffällig verhalten, denn eine Konfrontation mit dem Zamorra-Team durfte er auf keinen Fall riskieren.
Die Lethargie der letzten Tage fiel nach und nach von dem Vampirdämon ab. Er hatte ein Ziel, eine konkrete Aufgabe. Vielleicht war es ja genau das gewesen, was ihm gefehlt hatte.
Die Wunde in seiner Schulter schmerzte unsagbar. Sarkana ignorierte den Schmerz. Darum konnte er sich kümmern, wenn er wieder über die Kraft und das Machtpotential der Statue verfügte.
Sarkana war bereit. Er verließ die Hölle auf einem umständlichen Weg, einem, den ein Titan wie er sonst nie gegangen wäre.
Das ihm ein Schatten folgte, bemerkte der Vampirdämon nicht.
Ein Schatten, der noch eine Rechnung mit dem Herrn aller Vampire zu begleichen hatte…
***
»Sie suchen nach uns. Mit allem, was sie zur Verfügung haben.«
Mirjad ließ ihre Beine von der Ladefläche des Anhängers baumeln. Das Lächeln des Mädchens wirkte nicht verkrampft oder gekünstelt. Im Gegenteil - es war ein zufriedenes, ein triumphierendes Lächeln. Mirjad schien mit der Entwicklung äußerst zufrieden zu sein.
Khira kauerte im hinteren Teil ihrer Mitfahrgelegenheit . Sie fror. Die Strahlen der Nachmittagssonne hatten ausreichend Kraft, um ihren Körper zu erwärmen; der Traktor, der als Zugmaschine vor dem offenen Anhänger über die unebene Landstraße tuckerte, fuhr so langsam, dass es so etwas wie Fahrtwind nicht gab. Und dennoch fror die Kleinwüchsige.
Den Grund kannte sie nur zu gut. Die Schmerzen zuckten durch ihren Körper, sammelten sich in ihrem Kopf, der sich wie flüssiges Blei anfühlte, schwer und fiebrig heiß. Da war wieder diese leise Stimme, die ihr zuflüsterte, dass sie in die Brusttasche greifen sollte. Es war doch ganz leicht. Fünf rosarote Pillen waren darin. Fünf wunderbare Helfer. Wenn sie die alle zusammen nehmen würde, dann musste der Schmerz doch verschwinden. Nicht für immer, aber doch zumindest für die kommenden Stunden. Es war so einfach. Warum zögerte sie dann noch?
Khira riss sich zusammen. Sie musste der Stimme widerstehen.
Die Abstände, in denen sie die Pillen benötigte, waren drastisch kürzer geworden. Damit hatte sie nicht gerechnet, als sie ihre Flucht plante. Aber irgendwie war das ja nur logisch. In ihrem Krankenzimmer hatte sie nahezu die gesamte Zeit liegend verbracht, war keinerlei körperlichen Anstrengungen ausgesetzt gewesen. Und nun… Diese Flucht war fast zu viel für
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